Das Herz des Eisplaneten
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tiefgreifendes Trauma nach dem anderen über sich ergehen lassen müssen.
»Metaxos, hören Sie zu«, sagte Yana mit ruhiger, aber sehr entschiedener Stimme. »Wir können die Wahrheit herausfinden. Es wird einen Bericht geben. Man wird ihren Leichnam zurückbringen.
Ich werde persönlich mit Ihnen zur Raumbasis zurückkehren und feststellen, was passiert ist, und wenn ich Lavelle dort eigenhändig rausholen muß.«
Diego riß den Kopf hoch und richtete seinen sengenden Blick auf sie. »Sie gehören doch auch zu denen. Wie soll ich Ihnen da trauen?«
»Ach, Diego, komm schon«, warf Bunny ein.
In diesem Augenblick traf Sinead ein, im Schlepptau einen jungen Mann mit versteinerter Miene. »Hauptmann Fiske, das ist Liam Maloney, Lavelles Sohn.«
»Meine Mami ist tot, nicht wahr?« fragte Liam an Torkel gewandt.
Im Gegensatz zu Diego wirkte Liam sehr gefaßt. Fast so, als hätte er es erwartet, dachte Yana.
»Nun ja. Ich wollte es Ihnen und Ihrem Vater gemeinsam mitteilen.«
»Seien Sie mir nicht böse, Hauptmann, aber ich glaube kaum, daß Papi jetzt irgend jemanden von Ihrer Mannschaft sehen möchte. Ich werde es ihm selbst sagen.« Er wandte sich an Clodagh, die den Arm um ihn legte, als sei er noch ein Säugling, und als sie davongingen, vergrub er seinen Kopf in ihrem üppigen Busen.
»Also gut, Hauptmann, nun, da Sie Ihrer Pflicht Genüge getan haben, denke ich, daß der Rest von uns auch erfahren sollte, was hier los ist«, sagte Sean.
»Kommt doch alle zu mir nach Hause«, schlug Yana schnell vor, wobei sie Sean, Bunny, Diego, Sinead und Aisling in ihre Einladung einschloß und dann mit einem mitfühlenden Blick auf Torkel hinzufügte: »Ich mache uns einen echten Kaffee.«
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10. KAPITEL
»Woran ist sie gestorben?« wollte Sean wissen.
»Das wissen wir noch nicht genau. Als ich die Raumbasis verließ, war der Obduktionsbericht noch nicht eingetroffen«, antwortete Torkel. »Wahrscheinlich Spätwirkungen der Unterkühlung. Wirkte sich offenbar als Atemstillstand aus. Der Arzt äußerte den Verdacht, daß ihre Lungen dort draußen Erfrierungen erlitten haben, die niemand bemerkt hat, bis sie bereits per Shuttle ins Oberkommando gebracht worden war. Dem alten Mann geht es übrigens auch nicht blendend, obwohl das Mädchen, Brit, keine Schäden aufzuweisen scheint. Man wird sie zur weiteren Überwachung nach Andromeda ins dortige Krankenhaus transportieren.«
»Tun Sie das nicht«, widersprach Sean. »Schicken Sie sie hierher.
Behalten Sie sie auf der Raumbasis, wenn Sie unbedingt müssen, aber wenn Sie sie vom Planeten wegschicken, wird sie schon bald dahinsiechen und sterben. Diese Leute sind an diesen Planeten und diese Umweltbedingungen angepaßt. Woanders würden sie sterben.
Bringen Sie sie zurück.«
»Ich bin mir nicht sicher, daß ich das kann«, sagte Torkel. Yana spürte, wie sich die Veränderung in ihm aufbaute. Da versuchte er doch, ein furchtbar netter Typ zu sein und die Einheimischen in das Geschehen einzuweihen, und nun wollten sie ihm Vorschriften machen, wie er seine Aufgaben zu erledigen habe.
»Warum nicht?« fragte Diego wütend. »Macht es Ihnen soviel Spaß, sie zu verhören?«
Torkel stieß ein empörtes Seufzen aus. »Mein Junge, ich versuche ja, mich in Geduld mit Ihnen zu üben, weil ich verstehe, wie sehr Sie sich die Sache mit Ihrem Vater zu Herzen nehmen. Der Partner Ihres Vaters ist unterwegs, und er dürfte mit einem der ersten Militärshuttles eintreffen. Aber jetzt habe ich mir genug Mist von Ihnen angehört. Die Intergal hat auch Sie aufgezogen. Da sollten Sie
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eigentlich wissen, daß wir unseren eigenen Leuten so etwas nicht antun…«
Bestätigung heischend, blickte er Yana an, doch sie erwiderte nichts. Die Terroristen von Bremer waren ebenfalls vernommen worden. Und auch die hatten einmal zu den eigenen Leuten der Intergal gehört.
Diplomatisch warf Sinead ein: »Es ist ja nur so, daß wir hier eine sehr eng verflochtene Gemeinschaft sind, Hauptmann Fiske. Nach dem, was mit Lavelle passiert ist, werden sich die Leute jetzt noch mehr Sorgen um Sigdhu und Brit machen. Ich sage ja gar nicht, daß die Firma daran schuld ist, aber Sie wissen doch, wir sind hier eben eine andere Atmosphäre gewöhnt als auf den Raumstationen und Schiffen. Unsere Luft hier ist frisch, auch wenn sie kalt ist, und nicht wieder verwertet.«
»Freut mich, daß sie Ihnen gefällt«, versetzte Torkel und zog dabei ironisch die Augenbraue hoch.
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