Das Herz des Jägers
Stunden, aber er war ein junger Mann gewesen – jetzt war er vierzig Jahre alt, sein Körper beschwerte sich. Ein Bein war eingeschlafen, die Steine unter der anderen Hüfte waren scharf und unerträglich unbequem, das Feuer in seinem Bauch war erloschen. Seine Begeisterung war Vergangenheit. Nun wollte er fünfzehnhundert Kilometer südlich in einem kleinen Haus in den Cape Flats sein, |290| neben sich eine friedlich schlafende große, schlanke Frau. Er lächelte im Dunkeln trotz der Unbequemlichkeit vor sich hin, er lächelte darüber, wie die Dinge sich veränderten, nichts blieb gleich, und das war gut so, das Leben ging weiter.
Mit dem Lächeln dämmerte es ihm, noch war es nur ein Verdacht, daß diese Reise sein Leben ebenfalls verändern würde. Er war nicht nur unterwegs nach Lusaka.
Wohin würde die Reise ihn führen?
Allison arbeitete an der Titelgeschichte, sie wußte, daß es heute abend schwierig sein würde.
Ein Geschwader Rooivalk-Kampfhubschrauber hat den flüchtigen Motorradfahrer Thobela Mpayipheli in der Nähe der Stadt Petrusburg im Free State spät am gestrigen Abend in die Enge getrieben, wobei darüber unterschiedliche Berichte vom Militär und inoffiziellen Quellen vorlagen.
Sie las ihren Einstieg. Nicht schlecht, aber noch nicht ganz richtig. Der
Burger
und die Fernseh- und Radiosender konnten über dieselben Informationen verfügen. Und morgen früh war der Biker vielleicht schon verhaftet worden.
Sie fuhr mit der Computermaus an das Ende des Absatzes und löschte ihn. Sie dachte nach, sie formulierte um, sie probierte Sätze und Konstruktionen im Kopf durch.
Das Drama um den flüchtigen Motorradfahrer Thobela Mpayipheli wurde letzte Nacht um eine weitere Facette erweitert, als seine Lebenspartnerin, Mrs. Miriam Nzululwazi, unter mysteriösen Umständen verschwand.
Das war ihr Coup. Sie schrieb weiter.
Öffentliche Stellen, darunter die SAPS und das Ministerium für Sicherheit, bestritten entschieden, daß sich Mrs. Nzululwazi im Gewahrsam der Regierung befand. Kollegen erklärten jedoch, |291| daß die Bankangestellte von unbekannten Mitarbeitern der Regierung gestern in der Zweigstelle Heerengracht abgeholt worden war.
Die Reaktion des Militärs auf die anhaltenden Gerüchte, daß Kampfhubschrauber Mpayipheli in der Nähe der Stadt Petrusburg im Free State gestern abend in die Enge getrieben hatten, lautete: »Kein Kommentar.«
Das ist besser, dachte sie. Zwei Fliegen mit einer Klappe.
»Allison …«
Sie schaute auf. Ein schwarzer Kollege stand neben ihr.
»Ich habe was.«
»Was?«
»Der Junge. Ich habe ihn gefunden. Also, fast.«
»Super!«
»Eine Frau vom Guguletu Preschool and Child Care Center sagt, daß er den Hort besucht, aber die Mutter ihn heute abend nicht abgeholt hat.«
»Mist.«
»Allerdings war so ein Regierungstyp da.« Der Mann schaute auf seine Notizen. »Er hat gesagt, sein Name sei Radebe, er hat ihr einen Ausweis gezeigt und gesagt, es habe eine Art Unfall gegeben, er sei gekommen, um den Jungen mitzunehmen.«
»O mein Gott! Hat er gesagt, für wen er arbeitet? Wohin er das Kind mitnimmt?«
»Sie sagt, auf dem Ausweis habe nur gestanden, daß er vom Verteidigungsministerium für Sicherheit sei.«
»Und sie hat den Jungen gehen lassen?«
»Er war der letzte, der übrig war.«
»Der übrig war?«
»Er wurde als letztes abgeholt, und ich glaube, die Frau wollte einfach nach Hause.«
Vincent Radebe konnte dem Jungen nicht sagen, daß seine Mutter tot war. Er wußte nicht, wie er das anstellen sollte.
|292| »Deine Mutter muß heute abend arbeiten«, war das Beste, was er während der Fahrt zustande brachte. »Sie hat mich gebeten, mich um dich zu kümmern.«
»Arbeiten Sie mit ihr zusammen?«
»Das kann man so sagen.«
»Kennen Sie Thobela?«
»Ja, das tue ich.«
»Thobela ist unterwegs. Das ist unser Geheimnis.«
»Ich weiß.«
»Und ich werde niemandem davon erzählen.«
»Das ist gut.«
»Und morgen kommt er zurück.«
»Ja, morgen kommt er zurück«, hatte er auf dem Weg nach Green Point gesagt, wo sich seine Wohnung befand. Im Wagen hatte es Augenblicke gegeben, in denen seine Schuld, die Düsternis seiner Gedanken, beinahe zu viel für ihn geworden waren, aber jetzt, in einem McDonald’s mußte er sich zusammenreißen. Er schaute zu, wie Pakamile einen Big Mac herunterschlang, und fragte: »Hast du noch andere Verwandte hier am Kap?«
»Nein«, sagte der Junge. Er hatte Tomatensauce auf der
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