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Das Herz des Jägers

Titel: Das Herz des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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während die Musik seine Seele erfüllte.
    Und noch etwas wuchs in ihm – es hatte sich versteckt, irgendwo, er hatte auf einen fruchtbaren Geist gewartet, aber nun war sein Kopf klar, und zum ersten Mal seit über zehn Jahren fühlte er die Nabelschnur, die ihn zurück zu seinen Wurzeln zog, tiefer und weiter, durch sein Leben hindurch, durch die Leben vor ihm, bis er alles sehen konnte, bis er sich selbst sehen und erkennen konnte.
    Als der letzte Ton über den Gräsern erstarb, zu früh, zu bald, herrschte eine atemlose Stille, als stünde die Zeit einen Herzschlag lang still.
    Thobela bemerkte die Feuchtigkeit in seinen Augen, sie lief als langer silberner Pfad über seine Wange, er war erstaunt.
    Die Geräusche der Nacht breiteten sich wieder aus, sanft |301| und respektvoll, als wüßte die Natur, daß sie damit nicht mithalten konnte.
    Wortlos erhob sich Little Joe Moroka aus dem Kreis am Hubschrauber.
    Aus Gewohnheit schlang er seine Maschinenpistole über die Schulter und ging.
    Niemand sagte ein Wort. Sie wußten Bescheid.
    Little Joe trat ans Ufer. Es war ein bittersüßer Tag gewesen, und er wollte die Süße noch ein wenig länger genießen. Er ging hinunter zum Fluß, er schaute in das dunkle Wasser, die Heckler & Koch harmlos auf dem Rücken. Er wollte nicht still stehen, sondern ging auf die Brücke zu, er dachte an alles, er dachte an nichts, die Melodie hallte noch in seinem Kopf wider. Teufel, das war schön, wie es als Kind gewesen war. Ziellos spazierte er in das Dunkel unter der Brücke. Er sah das dumpfe Schimmern des Edelstahlauspuffs, aber er begriff erst gar nicht richtig, was er sah. Er schaute weg, sah wieder hin, ein surrealer Augenblick. In seinem Kopf ging ein Licht an, er kam noch einen Schritt näher, noch einen, das glänzende Ding nahm Form an, Linien, Tank und Räder und Lenker, und er gab ein Geräusch von sich, überrascht, er griff nach seiner Waffe, er schwang sie herum, aber es war zu spät. Aus dem Mondschatten erreichte ihn eine erschreckend schnelle Bewegung, eine Schulter traf ihn zum zweiten Mal an diesem Tag, aber sein Finger steckte schon im Abzugsbügel, sein Daumen hatte schon den Sicherungshebel umgelegt, und als ihm die Luft aus den Lungen gepreßt wurde und er zurücktaumelte, stotterte seine Waffe auf Automatik sieben ihrer neunzehn Salven heraus.
    Fünf Kugeln trafen Beton und Stahl, zischten durch die Nacht. Zwei Kugeln jedoch landeten in der rechten Hüfte Thobela Mpayiphelis.
    Er spürte, wie die Kugeln seinen Körper zur Seite warfen, er wußte sofort, daß er nun Probleme bekam, aber er folgte dem Sturz Morokas, das steile Ufer zum Fluß herunter. Er |302| hörte die Rufe der Gruppe am Helikopter, konzentrierte sich aber auf die Waffe. Little Joe keuchte, Thobela landete auf ihm, die Hand an der Feuerwaffe, er zerrte daran, er bekam sie zu fassen, er tastete nach dem Griff, den anderen Unterarm stützte er auf den Hals des Soldaten, Gesicht an Gesicht, er hörte die sich nähernden Schritte, Kameraden riefen Fragen, er drückte den Lauf der Heckler & Koch an Morokas Wange.
    »Ich will dich nicht töten«, sagte er.
    »Joe?« rief Da Costa von oben.
    Moroka wehrte sich. Der Druck des Laufes nahm zu. Das Gewicht des Flüchtigen lastete auf ihm, der Mann zischte ihm ins Gesicht: »Psst«, und Little Joe gehorchte, denn wohin sollte der Scheißkerl schon, sie waren sechs gegen einen.
    »Joe?«
    Thobela rollte sich von Moroka herunter, ging um ihn herum und zog ihn am Kragen hoch, um ihn als Schutzschild einzusetzen.
    »Bleiben wir alle ruhig«, sagte Thobela. Seine Hüfte war naß, das Blut lief ihm am Bein herunter.
    »Herrje«, sagte Cupido oben. Nun konnten sie es sehen. Little Joe mit der Waffe am Kopf, der Riesenkerl hinter ihm.
    »Legt eure Waffen hin«, sagte Thobela. Der Schock der beiden Treffer ließ ihn zittern.
    Sie standen bloß da.
    »Erschießt ihn«, sagte Little Joe.
    »Keiner wird verletzt«, sagte Thobela.
    »Erschießt den Hund«, sagte Little Joe.
    »Warte«, sagte Da Costa.
    »Legt die Waffen hin«, wiederholte Thobela.
    »Bitte, Mann, erschießt ihn«, flehte Little Joe. Er konnte Tiger Mazibukos Wut nicht noch einmal ertragen, keine weitere Demütigung. Er wand sich und stemmte sich gegen den Griff des Flüchtigen, und dann schlug ihn Thobela mit dem Kolben der Maschinenpistole in den Nacken, wo die Nerven zwischen Rücken und Kopf zusammenliefen, und seine |303| Knie knickten ein, aber der Arm um seinen Hals hielt ihn weiter

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