Das Herz des Jägers
erklärt man jemandem, daß es |372| keinen wirklich großen Grund gibt, keine besondere ideologische Motivation, nur einen kleinen Zufall, diese eigenartige Nacht in der amerikanischen Botschaft? Aber man mußte die Ereignisse auch im Licht eines Lebens voller Enttäuschungen sehen, der Desillusionierung, eines fruchtlosen Kampfes und der Enttäuschung; Jahrzehnte nutzloser Bemühungen hatten sie zu diesem Augenblick hingeführt.
Würde ihr jemand glauben, daß sie es nicht geplant hatte? Es war einfach passiert, wie ein Impulskauf im Supermarkt. Luke Powell und sie sprachen miteinander, umgeben von vielleicht vierzig oder fünfzig Menschen. Er hatte sie nach wichtigen Dingen gefragt, hatte sich nach ihrer Meinung in politischen und ökonomischen Dingen erkundigt, er hatte sie gottverdammt ernst genommen, er hatte sie behandelt, als wäre sie mehr als ein unsichtbares Rädchen im großen Regierungsmotor. Denn die PIU unterstand dem Direktor, trotz seiner Behauptungen, trotz seiner anfänglichen Versprechen, mit denen er sie angelockt hatte. Janina hatte nichts zu sagen, sie hatte keine Entscheidungsgewalt, sie war bloß eine weitere Mitarbeiterin in einem weiteren afrikanischen Geheimdienst.
In dem Augenblick, in dem Luke Powell mit ihr sprach, zogen all die Hindernisse und Hürden ihres Lebens an ihr vorbei – und sie schüttelte den ganzen Ballast ab.
Wer könnte das jemals verstehen?
Powell machte jemanden aus ihr, er gab ihr eine Bedeutung, zum ersten Mal in ihrem Leben sorgte ihr Handeln für einen echten Unterschied. Natürlich wurde es leichter nach dem 11. September, edler, aber das änderte nichts an der Tatsache, daß es einfach so passiert war.
Als Williams das Aufnahmegerät ausschaltete, traute sie ihrer Stimme nicht, aber sie klang genau richtig, sanft und entspannt, wie sie es gewollt hatte.
»Erstellen Sie das Transkript besser persönlich«, sagte sie zu ihm. Als er gegangen war, blieb sie in ihrem Stuhl sitzen, |373| das Gewicht schien sie zu erdrücken, ihre Gedanken sausten hierin und dorthin, wie eine in die Ecke getriebene Ratte. Eigenartig, wie schnell man denken konnte, wenn man in Gefahr war, wie kreativ man wurde, wenn die eigene Existenz auf dem Spiel stand. Wie konnte sie die Aufmerksamkeit von sich ablenken? Ihre Gehirnzellen hatten den Johnny-Kleintjes-Plan aus Bruchstücken zusammengestellt, die sie vor langer Zeit irgendwo abgelegt hatte – den Gerüchten, daß Kleintjes geheime Daten gebunkert hatte. Das war keine ihrer Prioritäten gewesen, nur etwas, was man nicht gleich wieder vergaß. Aber als es nötig war, fiel es ihr sofort wieder ein, ein Samenkorn, aus dem ein diabolischer Plan erwuchs.
Es war so wundervoll. Das waren Luke Powells Worte.
Sie sind wundervoll
.
Er hatte sie von Anfang an anerkannt. Mit jeder Information, die sie ihm durch die geheimen Kanäle hatte zukommen lassen, erhielt sie eine weitere Bestätigung von ihm.
Sie sind unbezahlbar. Sie sind wundervoll. Sie sind brillant. Sie helfen uns wirklich weiter.
Und nun saß sie da. Acht Monate später. Unbezahlbar und wundervoll und brillant, eine Verräterin, die nun möglicherweise in Sicherheit war, aber Köpfe würden rollen, und die Chancen standen gut, daß einer davon ihrer sein würde.
Und so weit dürfte es nicht kommen.
Sie mußte einen Sündenbock finden. Und es gab ja auch einen.
Opferbereit.
Sie war noch nicht fertig. Sie war noch lange nicht fertig.
Janina strich ihr Haar glatt und zog das Fax zu sich heran.
Das war der Artikel, der im
Sowetan
erschienen war und den die Ministerin erwähnt hatte. Sie wollte ihn nicht lesen. Sie wollte weitermachen, in ihrem Geist war das Kapitel abgeschlossen.
|374| MPAYIPHELI – DER PRINZ AUS DER VERGANGENHEIT
VON MATTHEW MTIMKULU, STELLVERTRETENDER CHEFREDAKTEUR
Ist es nicht eigenartig, wie viel Kraft zwei Worten innewohnen kann? Nur zwei zufälligen Worten, sechzehn schlichten Buchstaben, und als ich sie im Autoradio hörte, öffneten sich die Schleusen der Vergangenheit und die Erinnerungen überfluteten mich wie donnerndes Wasser. Thobela Mpayipheli.
Ich dachte nicht an die Bedeutung dieser Worte – das tat ich erst später, als ich mich hinsetzte, um diesen Artikel zu schreiben: Thobela bedeutet »wohlerzogen« oder »respektvoll«. Mpayipheli ist Xhosa für »der nicht aufhört zu kämpfen« – ein Krieger, wenn man so will.
Mein Volk gibt den Kindern gern Namen mit einer positiven Bedeutung, ein kleiner Vorsprung im Leben,
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