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Das Herz des Jägers

Titel: Das Herz des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Sohn.
    »1976, als die Aufstände in Soweto ausbrachen, war Thobela vierzehn Jahre alt. In jener Nacht kam Senzeni ihn holen. Ich hatte meinem Bruder das Haus verboten, wegen seines |101| Einflusses, aber er schlich sich herein wie ein Dieb, er nahm das Kind und rief später an, um zu sagen, daß er Thobela nach Hause zurückbringen würde, wenn er ein Mann geworden war. Er führte irgendwo die Inititiationsriten durch, und dann nahm er ihn überall hin mit, wo Xhosa-Blut floß. Er erfüllte seinen Kopf mit Haß. Sie waren lange fort, drei Monate, und als sie zurückkehrten, kannte ich meinen Sohn nicht mehr, und er kannte mich nicht. Zwei Jahre lebten wir so als Fremde im Pfarrhaus. Er ging seiner eigenen Wege, still und geheimnisvoll, als tolerierte er mich nur, als wartete er.
    Im Jahre 1979 verschwand er. Am Abend bevor er ging, sagte er gute Nacht, was er selten tat, und am Morgen war sein Zimmer leer. Niemand hatte in dem Bett geschlafen, einige Kleidungsstücke fehlten aus dem Schrank. Senzeni kam und sagte, mein Sohn sei in den Krieg gezogen. Wir stritten uns schrecklich an jenem Tag. Harte Worte fielen. Ich vergaß mich. Ich war verletzt, weil ich kein Vater sein konnte, weil mein Bruder meinen Sohn gestohlen hatte. Ich richtete meine Worte an Senzeni, aber ich haderte mit Gott. Der Herr hatte meinen Sohn von mir fortgeführt. Er hatte die Grenzlinien in diesem Land und in dieser Familie an eigenartigen Stellen gezogen. Er hatte aus mir einen Mann des Friedens und der Liebe gemacht, hat mich zu einem Hirten ernannt, und dann rief er einen Wolf in mein Haus, so daß ich lächerlich gemacht wurde und mein ungläubiger Sohn ihn ablehnte – das alles konnte ich nicht verstehen.
    Erst später begriff ich, daß dies meine Prüfung gewesen war. So demütigte der Herr mich, so nahm er mir die Illusion, ich sei besser als andere, so zeigte er mir meine tönernen Füße. Aber da war es zu spät, meinen Sohn zu retten, zu spät, ihn nach Hause zu holen. Manchmal erfuhren wir etwas, manchmal sandte Senzeni eine Nachricht über Thobela, wie gut es ihm gehe, daß man auf ihn aufmerksam geworden sei, daß die Anführer des Freiheitskampfes seinen Charakter anerkannten, daß er ins Ausland gegangen sei, um zu lernen, für sein Land zu kämpfen.
    |102| Eines Abends kam eine Nachricht. Die Geheimpolizei hatte Senzeni verhaftet – sie brachten ihn nach Grahamstown. Acht Tage prügelten sie dort auf ihn ein, dann ließen sie seine Leiche wie Müll am Straßenrand liegen. Danach hörten wir nie wieder etwas von unserem Sohn.«
     
    Hinter Touws River nahmen die Kurven ab, und zum ersten Mal lösten sich seine Gedanken vom Motorradfahren. Thobela dachte darüber nach, wo er stand – seine Möglichkeiten, welche Alternativen ihm blieben. Die Tankanzeige signalisierte ihm, daß er tanken mußte. In Laingsburg. Dann waren es noch zweihundert Kilometer bis Beaufort West, eine tödliche Highway-Strecke durch die große Karoo-Wüste, breit und geradeaus, gnadenlos heiß am Tag, furchterregend bei Nacht. Geschätzte Ankunftszeit: Mitternacht.
    Aus Beaufort West waren es weitere 500 oder 550 nach Bloemfontein. Konnte er das vor Sonnenaufgang schaffen? Vielleicht nicht – er mußte Gas geben, er mußte bald tanken.
    Er würde in Bloemfontein schlafen müssen, er würde in das schwarze Viertel fahren und sich irgendwo ausruhen, während die Sonne schien.
    Er kannte das Spiel. Er wußte, wie schnell die Variablen sich für Jäger und Opfer multiplizierten. Er wußte, wie sie kalkulieren würden, wenn sie das Motorrad in die Gleichung einbezogen. Sie würden auf die wahrscheinlichste Route setzen, die schnellste, kürzeste Strecke, sie würden ihre Ressourcen hier bündeln, weil es die allergrößte Wahrscheinlichkeit war, selbst wenn sie nicht mehr als fünfzig Prozent betrug. Es gab zu viele andere, unwahrscheinlichere Wege; diese zahllosen Möglichkeiten könnten einen wahnsinnig machen.
    Wenn sie es wußten, würde die N1 ihre Wahl sein. Deswegen mußte er die Dunkelheit nutzen und den Vorsprung, den er hatte.
    Er schaltete das Fernlicht ein, das schwarze Band zog sich |103| vor ihm hin, er drehte das Gas hoch, die Nadel schob sich über die 140. Seine Augen maßen den Lichtkegel, der sich vor ihm abzeichnete. Wie schnell konnte er nachts fahren, ohne sich umzubringen?
    Hinter dem nächsten Hügel ging es hinab ins Tal, und die GS erreichte über 160. Dann sah er die blau-rot blinkenden Lichter der Polizei weit in der Ferne.
    Er

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