Das Herz des Jägers
einen höheren Rang bekleidete als sie, dann war sie Freiwild.
Sie hatte diese Lektionen auf die harte Tour gelernt. Vor zehn Jahren, nach der langsamen, frustrierenden und schmerzhaften Erkenntnis, daß sie mit einem stetigen Schwall offener und verdeckter sexueller Avancen leben müßte, hatte sie sich im Spiegel angesehen und ihre beiden wichtigsten körperlichen Vorteile erkannt. Ihr breiter Mund mit vollen Lippen und weißen, regelmäßigen Zähnen sowie ihre Brüste, die ansehnlich waren, ohne zu groß zu sein. Daraufhin hatte sie ihren Stil geändert: kein Lippenstift, kleine, ernsthafte Brillen mit Edelstahlgestell, das Haar immer streng zurückgekämmt, die Kleidung nie zu eng und stets in neutralen Farben – vor allem grau, weiß und schwarz. Sie arbeitete außerdem an ihrem Auftreten, der Interaktion, der Kommunikation, bis das erotische Interesse sich auf einem akzeptablen, beherrschbaren Level eingependelt hatte.
Gegen das andere Problem, das männliche Ego, konnte sie allerdings nichts tun.
Janina Mentz stand auf, strich ihren Rock glatt und fuhr sich über das Haar.
Rajkumar kam zu ihr – er hatte etwas herausgefunden. »Die andere Abbuchung, Ma’am, die 129 Rand im Monat?«
»Wie?« Sie wußte nicht sofort, worum es ging.
»Die andere Abbuchung auf Mpayiphelis Bankkonto. Ich habe den Abbuchungsschlüssel überprüft. Wir wissen jetzt, wo das Geld hingeht.«
»Ja?«
|125| »An die CCE. Das Cape College of Education.«
»Für das Kind?«
»Nein. Es ist eine Fernschule. Für Erwachsene.«
»Oh.«
»Man kann dort seinen Highschool-Abschluß nachmachen. Die Klassen zehn bis zwölf. Jemand hat bei ihnen einen Kurs belegt.«
Das war nur wenig neue Information. »Danke, Rahjev.«
Ihr Handy klingelte. Sie schaute auf den kleinen Bildschirm: »Mazibuko«.
»Tiger?«
»Ich lasse Bravo aus Bloemfontein kommen. In unserem Wagen.«
»Warum?«
»Hier geht gar nichts. Zwei Polizisten und ein Verkehrspolizist mit zwei Autos. Ein großes Gewitter kündigt sich an, und zwischen hier und Beaufort West zweigen zwei oder drei Straßen von der N1 ab und Gott weiß wieviele Feldwege.«
»Er fährt Motorrad, Tiger.«
»Ich weiß. Aber wenn er die Straßensperre sieht und wendet – wie sollen wir ihn dann verfolgen?«
»Mit den Rooivalks.«
»Im Regen?«
»Wie sicher sind Sie, daß es regnen wird?«
»Ma’am, es regnet schon.«
»Die Fahrt aus Bloemfontein dauert fünf Stunden, Tiger.«
»Deswegen möchte ich, daß sie sofort losfahren.«
Sie entschied sich. »Okay, sollen sie.«
»Mazibuko out.«
»Tiger?« fragte sie schnell.
»Ich bin noch dran.«
»Mpayipheli. Er war vielleicht mehr als ein MK.«
»Mehr?«
»Unterschätzen Sie ihn nicht!«
»Wie meinen Sie das? Was haben Sie herausgefunden?«
|126| »Wir wissen noch nicht genug. Unterschätzen Sie ihn einfach nicht!«
»Er ist immer noch bloß einer.«
»Das stimmt.«
»Mazibuko out«, sagte er wieder.
Mentz drückte den Ende-Knopf an ihrem Handy. Sie bemerkte, daß das Faxgerät ein Dokument druckte. Sie ging hinüber und las den Briefkopf, während sie auf den Rest wartete. NIA.
»Gut«, sagte sie leise und hielt das Papier zwischen den Fingern, bis es fertig bedruckt war, dann nahm sie es hoch.
Letzte bekannte Adresse – Derek Lategan: Orange River Wine Exports, Postfach 1798, Upington, Northern Cape.
Letzte bekannte Adresse – Quartus Naudé: 28 Fourteenth Avenue, Kleinmond, Western Cape.
Masethla hatte die Informationen herausgerückt. Sie konnte sich vorstellen, wie er innerlich gekämpft hatte; sein Zögern, seine Verwirrung und die Angst, daß sein Ausbruch Folgen haben würde. Ein kleiner Sieg für sie, aber sie empfand kein Vergnügen darüber.
Radebe kam mit gerunzelter Stirn und einem weiteren Dokument in den Händen auf sie zu. »Das hier ist merkwürdig, Ma’am. Dieser Bericht kam aus Pretoria, aber wir haben ihn gar nicht veranlaßt.«
Sie nahm ihm das Blatt aus der Hand.
Transkript des Verhörs von Mr. Gerhardus Johannes Groenewald durch V. Pillay, 23. Oktober, 21:18, Dallas Flats 807, De Kock Street, Sunnyside, Pretoria.
P: Sie haben mit Johnny Kleintjes an der Integration der Datenbanken gearbeitet?
G: Ich war sein Stellvertreter.
|127| »Ich habe das veranlaßt, Vincent.«
»Ma’am?«
»Ich habe Pillay direkt angerufen. Groenewald war in unseren Akten.«
Radebe schaute sie immer noch mit gerunzelter Stirn an.
»Es tut mir leid, Vincent, ich hätte es Ihnen sagen
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