Das Herz des Jägers
sollen.«
»Ma’am, das ist nicht …«
»Was denn dann?«
»Ich dachte, ich kenne all unsere Agenten.«
Sie hielt Blickkontakt mit ihm und lächelte beruhigend. »Pillay arbeitet nicht Vollzeit für uns, Vincent. Ich will Ihren Leuten nicht in die Quere kommen.«
Die Stirn glättete sich.
»Ma’am, da ist noch etwas …« Seine Stimme war sanft, als wollte er nicht, daß die anderen ihn hören konnten.
»Sagen Sie es mir.«
»Mpayipheli, Ma’am. Wir behandeln ihn wie einen Verbrecher.«
»Er ist einer, Vincent.«
Es schien, als wollte er ihr widersprechen, überlegte es sich dann aber anders.
»Er hat zwei unserer Agenten entwaffnet, er hat sich dem Befehl verweigert, Staatseigentum zu übergeben, und er hat ein Motorrad gestohlen.«
Radebes Blick ging in die Ferne. Er nickte, aber Mentz hatte nicht das Gefühl, daß er ihr zustimmte. Er wandte sich ab. Sie schaute ihm nachdenklich hinterher, bis er sich setzte.
Transkript des Verhörs von Mr. Gerhardus Johannes Groenewald durch V. Pillay, 23. Oktober, 21:18, Dallas Flats 807, De Kock Street, Sunnyside, Pretoria.
P: Sie haben mit Johnny Kleintjes an der Integration der Datenbanken gearbeitet?
G: Ich war sein Stellvertreter.
|128| P: Hatten Sie Zugriff auf dieselben Unterlagen?
G: Ja.
P: Wußten Sie, daß Mr. Kleintjes Sicherheitskopien von bestimmten sicherheitsrelevanten Unterlagen hergestellt hat?
G: Ja.
P: Bitte erzählen Sie mir davon.
G: Das ist zehn Jahre her.
P: Ich weiß, Mr. Groenewald.
G: Die meisten dieser Daten sind jetzt nutzlos. Die Leute … Alles ist anders.
P: Wir müssen es wissen.
G: Das waren merkwürdige Zeiten. Es war … Plötzlich festzustellen, was der Feind über einen wußte, und offenzulegen, was wir wußten, das war surreal. Der Feind war nicht mehr länger der Feind. Nach all diesen Jahren. Zusammenzuarbeiten war schwierig. Für alle. Beide Seiten.
P: Sie haben vor 1992 für die Regierung der Nationalpartei gearbeitet?
G: Ja.
P: Bitte fahren Sie fort, Mr. Groenewald.
G: Manche Leute im Team konnten damit nicht umgehen. Es lag an der Konditionierung. Es war ihnen so viele Jahre eingehämmert worden, die Geheimnistuerei, wir gegen die. Dinge verschwanden.
P: Was für Dinge?
G: Unterlagen über Operationen. Sachen, die nicht gegen irgend jemanden sprechen sollten. Als Johnny Kleintjes bemerkte, daß die Leute Informationen löschten, begann er, Sicherungskopien zu erstellen. Wir arbeiteten zusammen, so schnell wir konnten. Und als eines der Sicherungsbänder verschwand, begann er, die Arbeit mit nach Hause zu nehmen.
P: Wissen Sie, was für Unterlagen er mit nach Hause nahm?
G: Er hat mir jedenfalls nichts verheimlicht.
P: Was war es?
|129| G: Es gab X-Listen mit Politikern, Richtern, Geheimdienstleuten. Sie wissen schon … wer mit wem schläft, wer finanzielle Probleme hat, wer sich mit der Opposition eingelassen hat. Und dann die E-Listen. »E« für Eliminierung. Wer ermordet wurde, wer als nächstes dran war. Außerdem das Zulu-Dossier.
P: Das Zulu-Dossier?
G: Sie wissen schon, die Zulu-Nationalisten.
P: Das weiß ich nicht, Mr. Groenewald.
G: Sie müssen doch wissen, daß es unter den Zulus einen konservativen Nukleus gibt, der immer noch von der Unabhängigkeit der Zulus träumt?
P: Fahren Sie fort, Mr. Groenewald.
G: Die Zulus haben die Politik der Rassentrennung der vorigen Regierung unterstützt. Sie betrachteten das als ihren Weg zu einem eigenen Zulu-Staat. Und Mitglieder der alten Regierung waren begeistert dabei, gaben Versprechen, sie arbeiteten eng mit den Zulus zusammen. Dann kam F. W. de Klerk und führte sie an der Nase herum, indem er das Verbot des ANC aufhob und freie Wahlen erlaubte.
P: Ja?
G: Im Zulu-Dossier stehen die Mitglieder der geheimen Organization for Zulu Independence, kurz OZI. Politiker, Geschäftsleute, viele Akademiker. Die University of Zululand war eine Brutstätte. Wenn ich mich richtig erinnere, war der Leiter der geschichtlichen Fakultät jahrelang Vorsitzender des OZI.
P: Das ist alles? Nur eine Liste der OZI-Mitglieder?
G: Nein, da war mehr. Waffenlager, Strategien, Pläne. Außerdem der Name von Inkululeko.
P: Das müssen Sie erklären.
G: Inkululeko. Ein Codename. Das ist das Zulu-Wort für Freiheit. Ein Mitglied des OZI, das vor Jahren den ANC infiltrierte. Ein Maulwurf. Aber ganz weit oben. Man behauptet, daß er während des Kalten Krieges auch für die CIA tätig war. Vor kurzem habe ich das Gerücht gehört, daß er, zumindest was
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