Das Herz des Jägers
nigerianische Mafia in die Stadt kam. Heutzutage haben die alles in der Hand.
Die nigerianische Mafia? Wir müssen unbedingt eine ganze Talkshow mit Ihnen machen, anonymer Anrufer. Wieso haben Sie aufgehört zu dealen?
Ich habe gesessen. Ich bin jetzt resozialisiert.
So kann’s gehen. Ungewöhnlich, aber wahr.
Es ist ein merkwürdiges Land, John, glauben Sie mir.
Amen, Bruder.
Er lag auf dem Boden und atmete Staub. Die Schritte klangen, als umrundeten sie das Motorrad. Dann war eine Stimme zu hören.
»Hallo …«
Instinktiv schaute er sich nach einer Waffe um, er verfluchte sich, daß er das Gewehr des Soldaten nicht behalten hatte. Er könnte ein Bein vom Tisch abbrechen. Er blieb einen Schritt davor stehen. Keine Gewalt mehr, keinen Kampf mehr. Doch hieß das, daß seine Reise vorüber war, konnte er jetzt nach Hause fahren? Hieß es, daß Johnny |182| Kleintjes endgültig in der Klemme steckte? Thobela verharrte im Niemandsland zwischen Instinkt und Wunschdenken.
»Hallo, du da im Haus …« Eine Männerstimme. Afrikaans.
Seine Hände hingen seitlich herunter, aber er öffnete und schloß die Fäuste.
»Thobela?« hörte er die Stimme. »Thobela Mpayipheli?«
Soldaten, dachte er, und das Adrenalin ergoß sich wieder in seine Venen. Ein Schritt zum Tisch, er packte eines der hölzernen Beine mit den Händen und stemmte seinen Fuß gegen die Tischplatte. Nein, flehten seine Gedanken, Nein, laß es vorbei sein.
Schießen Sie los, Elise, was halten Sie von dem sich entwickelnden Drama?
Zwei Dinge, John. Erstens glaube ich diese Drogen-Geschichte überhaupt nicht. Warum wollen die Leute jeden niedermachen, kaum daß man über ihn spricht? Zweitens bin ich die Sekretärin des BMW-Motorrad-Clubs in Pretoria, und ich wollte nur sagen, daß wir die Hell’s Angels nicht um Hilfe gebeten haben. Mr. Mpayipheli fährt eine BMW, und wenn ihm überhaupt jemand hilft, dann die BMW-Motorrad-Bruder
schaft. Mir ist auch gar nicht klar, wie die Hell’s Angels mit ihren Harleys auf den Feldwegen am nördlichen Kap klarkommen wollen.
Der Flüchtling ist also Mitglied in einem BMW-Club?
Nein, John, aber er fährt eine BMW.
Und deswegen gehört er euch?
Er gehört uns nicht, John. Aber auch nicht den Hell’s Angels.
Und was hat es mit den Feldwegen auf sich?
Mr. Mpayipheli ist der Straßensperre ausgewichen, indem er auf Feldwegen weiterfuhr. Er hat eine GS, verstehen Sie?
Und was ist eine GS?
Ein Straßen-und-Gelände-Motorrad.
Wie ein Motocross-Bike?
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Nein. Ja, man könnte sagen, eine Art Motocross-Bike mit Schilddrüsenüberfunktion.
Ha. Das wird das Zitat des Tages. Woher wissen Sie, daß er der Straßensperre ausgewichen ist?
Das steht alles auf unserer Website, John.
Ihrer Website?
Ja. www.bmwmotorrad.co.za. Wir verfügen über Insider-Informationen.
Und woher hat Ihre Website Insider-Informationen?
Ach, Polizisten fahren ja auch BMWs, verstehen Sie?
»Ich komme jetzt rein, Thobela, nicht schießen. Ich bin Ihr Freund.«
Nicht schießen. Sie glaubten immer noch, er sei bewaffnet.
»Ich mach jetzt die Tür auf, Thobela, es ist alles in Ordnung.«
Die Tür ging auf.
»Ich bin auf deiner Seite, mein Bruder.«
Er wartete einen Herzschlag lang, ließ seine Schultern heruntersinken.
»Ich kann sie nicht laden«, sagte Rahjev Rajkumar. Im Web Browser zeigte sich eine Fehlermeldung:
Die Seite kann nicht angezeigt werden. Die gewünschte Seite wurde möglicherweise entfernt oder umbenannt. Bitte überprüfen Sie Ihre Browser-Einstellungen.
»Motorrad schreibt man mit zwei Rs«, sagte Vincent Radebe leise.
»Woher willst du denn das wissen?« sagte Rajkumar gehässig.
»Das ist das deutsche Wort für ›motorcycle‹.«
Er tippte die Adresse erneut ein. Diesmal wurde die Website geladen. Oben, direkt unter dem Seitentitel standen die Worte: FOLGT DEM GS-FLÜCHTLING – EINE INSIDER-STORY.
|184| Er hatte die Beine gespreizt, die Schultern gesenkt, und in seinem Inneren tobte ein Kampf. Er wußte, daß ein Moment der Wahrheit nahte, er wußte, daß er nun siegen oder verlieren würde – auf verschiedenen Ebenen.
Langsam öffnete sich die Tür ein wenig. Die Stimme war sanft und beruhigend. »Ich komme in friedlicher Absicht.« Ein Farbiger, der einen alten Anzug trug, ein einfaches graues Hemd und eine Fliege, die früher einmal vielleicht rot gewesen war. Er hatte die Augen weit aufgerissen und hob schützend die Hände vor sich.
»Wer bist du?«
»Ich bin Koos
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