Das Herz des Jägers
anderen Worten: Erschieß den Kerl, wenn du willst.
Großer Gott, wie sehr er sich darauf freute.
|205| 22
Sechs Männer durchsuchten das Haus in Guguletu ausgesprochen professionell.
Sie machten Videoaufnahmen und Digitalfotos, bevor sie anfingen, damit sie alles genau dorthin zurücklegen konnten, wo es gewesen war. Dann begann die methodische Suche. Sie kannten die Verstecke von Amateuren und Profis, sie ließen keine Nische und keinen Spalt aus. Mit Stethoskopen überprüften sie Wände und Böden, mit mächtigen Taschenlampen leuchteten sie zwischen Decke und Dach. Die Hauptschlüssel, die sie für Schränke und Türen mitgebracht hatten, benötigten sie nicht. Einer der sechs Männer listete das Inventar auf. Er murmelte in ein winziges Diktiergerät, wie ein Geschäftsmann, der einen Brief diktiert.
Es war ein kleines Haus, und es befand sich nicht viel darin. Die Suche dauerte 130 Minuten. Danach fuhren sie in dem Bus, mit dem sie vorgefahren waren, wieder davon. Der Mann mit der Inventarliste rief seinen Vorgesetzten an, Vincent Radebe.
»Nichts«, sagte er.
»Gar nichts?« fragte Radebe.
»Keine Waffen, keine Drogen, kein Bargeld. Ein paar Bankauszüge. Die üblichen Unterlagen. Mpayipheli macht seinen Highschool-Abschluß nach, dazu gibt es Korrespondenz und Bücher. Zeitschriften, Karten – romantische Liebesbriefe an die Frau in ihrer Wäscheschublade. ›Von Thobela. Für Miriam. Ich lieb Dich dies, ich lieb Dich das.‹ Sonst nichts. Ganz normale Leute.«
Im Einsatzraum schüttelte Vincent den Kopf. Er hatte es befürchtet.
»Im Garten wächst Gemüse. Sehr anständig. Die besten Tomaten, die ich seit Jahren gesehen habe.«
Der Trick bei Pressekonferenzen bestand darin, die eigenen Fragen so zu formulieren, daß sie den anderen Medienvertretern |206| nicht die Informationen verrieten, über die man verfügte.
Deswegen fragte Allison, nachdem die Ministerin ihr Statement über das stürmische Leben und die gewalttätige kriminelle Vergangenheit Thobela Mpayiphelis verlesen hatte und nachdem sie einen Haufen Fragen fast ohne Ausnahme mit »Ich bin nicht in der Lage, diese Frage zu beantworten, da die Operation extrem sensibler Natur ist« abgebügelt hatte: »Wird derzeit noch jemand anders im Zusammenhang mit dieser Operation festgehalten?«
Weil die Ministerin nicht wußte, ob das der Fall war, zögerte sie. Dann gab sie eine Antwort, die sie retten sollte, wenn das Gegenteil der Fall war. »Nicht, daß ich wüßte«, sagte sie.
Es war eine Antwort, von der sie sich später von ganzem Herzen wünschte, sie nie gegeben zu haben.
Sie brachten Miriam Kaffee und Sandwiches in das Verhörzimmer. Sie fragte, wann man sie gehen lassen würde. Derjenige, der ihr das Essen brachte, wußte es nicht. Er sagte, er werde sich erkundigen.
Miriam aß nicht und trank nicht. Sie versuchte, ihre Angst zu bewältigen. Die Wände erdrückten sie, der fensterlose Raum drohte sie zu ersticken. Heute war sie diejenige, die zu ihrem Kind mußte, heute war sie diejenige, die mit hoher, schriller Stimme schreien wollte: »Laßt mich gehen!« Sie mußte Pakamile holen. Ihr Kind, ihre Arbeit – was dachten die Leute in der Bank? Hielt man sie dort nun für eine Kriminelle? Würde man ihr kündigen? Hatte jemand den Leuten in der Bank erklärt, warum sie abgeführt worden war?
Sie mußte hier raus.
Und was war mit Thobela? Wo war er jetzt? Stimmte das, was die weiße Frau gesagt hatte, daß er in Gefahr schwebte?
Das hatte sie alles nicht gewollt.
|207| Janina Mentz wartete, bis diejenigen, die sich ausgeruht hatten, zurück waren. Dann bat sie alle an den Konferenztisch.
Sie erzählte ihnen fast die ganze Geschichte. Sie erwähnte nicht, daß der Name des Direktors auf der Liste stand, aber sie gestand, daß sie die ganze Operation ins Rollen gebracht hatte. Sie entschuldigte sich nicht, ihre Mitarbeiter im dunkeln gelassen zu haben. Sie sagte, sie müßten verstehen, warum sie so gehandelt hatte.
Sie beschrieb das Treffen mit der Ministerin, die Bestätigung, daß Thobela Mpayipheli – Codename Umzingeli – ein ehemaliger MK-Agent war, daß er eine Spezialausbildung genossen hatte, daß er ein gefährlicher Gegner und es von entscheidender Bedeutung war, ihn aufzuhalten.
»Wir werden nicht mehr länger Zeit damit verschwenden, herauszufinden, wer er war. Wir werden uns darauf konzentrieren, herauszufinden, wer er jetzt ist. Bei seinem Hintergrund ergibt sein Verhalten in den letzten
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