Das Herz des Jägers
Menschen zogen am Rathaus vorbei, sie hielten Banner hoch, pfiffen, johlten, brüllten. Es war eine Art Protest-Karneval wegen der Löhne der Näherinnen in den Fabriken oder irgend so etwas. Miriam hatte sich ihnen angeschlossen, denn sie gingen in ihre Richtung, sie lachte über die jungen Männer, die Fratzen schnitten und herumturnten wie freche Affen, doch plötzlich war die Polizei da, das Tränengas, der Angriff, die Wasserwerfer – die Python hatte Chaos geboren.
Sie stießen Miriam hinten in einen großen gelben Lastwagen, zerrten sie mit den anderen in die Zellen, preßten sie hinein. Es war zu voll, keiner konnte sitzen, und die schreiende Frau jammerte etwas von einem Kind, sie müsse zurück zu ihrem kranken Kind, und der weiße Mann mit dem roten Gesicht, der sie mit dem Schlagstock über dem Kopf bedrohte, schrie, seine Stimme verlor sich im zunehmenden Lärm der anderen, aber sein Arm fuhr nieder, wieder und wieder, und da war die Angst, die über Miriam zusammenschlug – sie mußte entkommen, sie stemmte sich gegen die anderen, sie drängte sich durch die schreienden Frauen, bis sie die Gitterstäbe erreichte, sie schob ihre Hände hindurch, auch dort schreiende Polizisten, wütende Gesichter, bis jemand sie zurückzog.
Miriam verspürte jetzt genau dieselbe Angst, in diesem abgeschlossenen Raum, hinter der verschlossenen Tür; sie war ohne Grund eingesperrt worden, ohne Schuld. Sie sprang auf, als die Tür sich öffnete. Eine weiße Frau trat ein und setzte sich ihr gegenüber hin.
|203| »Wie kann ich Sie überzeugen, daß wir Thobela helfen wollen?« Janina Mentz benutzte bewußt seinen Vornamen.
»Sie können mich hier nicht festhalten.« Miriam hörte die Angst in ihrer eigenen Stimme.
»Ma’am, diese Leute nutzen ihn aus. Sie setzen ihn unnötiger Gefahr aus. Sie haben ihn belogen und an der Nase herumgeführt. Das sind keine guten Menschen.«
»Ich glaube Ihnen nicht. Er war Thobelas Freund.«
»Das war er. Vor Jahren. Aber er hat die Seiten gewechselt. Er will uns verkaufen. Unser Land. Er will uns schaden, und er nutzt Thobela aus.«
Janina konnte die Unsicherheit auf Miriams Gesicht sehen, daraus würde sie Kapital schlagen. »Wir wissen, daß Thobela ein guter Mann ist. Wir wissen, daß er ein Held im Freiheitskampf war. Wir sind sicher, daß er sich auf die Sache nicht eingelassen hätte, wenn er Bescheid gewußt hätte. Wir können die Sache klären und ihn unbeschadet nach Hause holen, aber wir brauchen Ihre Hilfe.«
»Meine Hilfe?«
»Sie haben mit den Medien gesprochen …«
»Die Frau wollte auch helfen. Sie war auch auf Thobelas Seite.«
»Sie hat sie angelogen, Ma’am.«
»Und Sie?«
»Wie könnten die Medien denn Thobela nach Hause holen? Wir können das – mit Ihrer Hilfe.«
»Es gibt nichts, was ich tun kann.«
»Gehen Sie davon aus, daß Thobela anrufen wird?«
»Warum wollen Sie das wissen?«
»Wir würden ihm gern etwas ausrichten lassen.«
Miriam warf Janina einen scharfen Blick zu. Sie betrachtete ihre Augen, ihren Mund, ihre Hände.
»Ich traue Ihnen nicht.«
Janina seufzte. »Weil ich weiß bin?«
»Ja, weil Sie weiß sind.«
|204| Captain Tiger Mazibuko konnte nicht einschlafen. Er rollte sich auf dem Armeebett hin und her. Es war schwül in Kimberley, nicht allzu heiß, immer noch bedeckt, aber die Luftfeuchtigkeit war hoch und der Raum schlecht belüftet.
Wieso empfand er so einen Haß auf Mpayipheli?
Der Mann hatte im Freiheitskampf gekämpft. Dieser Mann hatte seine Kameraden nicht verraten.
Woher kam dieser Haß? Er fraß ihn auf, er beeinflußte sein Verhalten; er hatte Little Joe nicht gut behandelt. Er hatte immer Wut empfunden, aber die hatte niemals Auswirkungen auf seine Führungsqualität gehabt.
Warum?
Das war doch nur ein armer Kerl mittleren Alters, der vor vielen Jahren einmal jemand gewesen war.
Warum?
Draußen wurde das Donnern lauter und lauter.
Wie sollte man da schlafen?
Das waren die Rooivalks. Die Scheiben erzitterten in ihren Rahmen, der tiefe Baß der Motoren hallte in seiner Brust wider. Zuvor waren es die Lastwagen gewesen, die einer nach dem anderen losfuhren. Soldaten wurden über das Land verteilt, um Sperren auf Feldwegen und Asphaltstraßen aufzubauen. Das Netz wurde weit ausgeworfen, um einen einzigen Fisch zu fangen.
Er drehte sich auf die andere Seite.
War es wichtig, woher der Haß kam? Solange er ihn kontrollieren konnte?
Alle Möglichkeiten ausschöpfen, hatte Janina Mentz gesagt. Mit
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