Das Herz des Jägers
hatte gehofft, die Straße würde um die Stadt herumführen, doch sie ging geradewegs hindurch. Koos Kok hatte recht, es wäre besser gewesen, bis zum Einbruch der Dunkelheit zu warten, aber das konnte er jetzt nicht ändern, er mußte es hinter sich bringen. Er schaute auf die Tankanzeige – immer noch mehr als die Hälfte. Er beließ die Nadel bei 60, er fuhr in die Stadt hinein, ein- und zweigeschossige Gebäude, verblaßte Schilder, die Architektur der Alten Welt. Aus den Augenwinkeln konnte er schwarze Gesichter sehen, die ihm hinterherschauten. Er war farblos, unter dem Helm hatte er Gott sei Dank keine Identität. Er hielt an einem Stoppschild. Ein Wagen neben ihm, eine dicke Frau, vielleicht vierzig. Sie starrte das Motorrad an, ihn. Thobela blickte weiter nach vorn, er fuhr los, er war sich der Aufmerksamkeit schmerzhaft bewußt. In der Stadt war wenig los an diesem heißen, verschlafenen Nachmittag. Fußgänger, Autos,
Bakkies
, Fahrräder. Er horchte auf alarmierende Geräusche, sein Rücken war verspannt, als wartete er auf eine Kugel. Bleib bei 60, niedrige Umdrehungen, er versuchte, ganz leise zu fahren, unsichtbar zu sein, was auf diesem Gefährt völlig unmöglich war. Er passierte Häuser und Kinder am Straßenrand, ein paar zeigten mit den Fingern. Erkannten sie ihn, lag es am Motorrad? Die Stadtgrenze, ein Schild, auf dem stand, daß er wieder 120 fahren konnte. Er beschleunigte langsam, unsicher, er schaute weiter in den Rückspiegel.
Nichts.
War das möglich?
Ein Wagen am Straßenrand. Weiße unter einem Thorn Tree, eine Thermoskanne mit Kaffee auf einem Betontisch. Sie winkten. Er hob die linke Hand.
Ein Schild zeigte den Vanderkloof-Damm rechts an.
Thobela fuhr weiter geradeaus.
|231| Irgendwo vor ihm war die Abzweigung nach Luckhoff – und die Brücke über den Orange River.
Dort mußte der Ärger auf ihn warten.
»Psychologische Fakultät«, sagte die Frauenstimme am Telefon.
»Hallo. Kann ich bitte mit Mr. Van Heerden sprechen?«
»Sie meinen Dr. Van Heerden?«
»Oh. Zatopek van Heerden?«
»Dr. Van Heerden ist leider nicht da. Möchten Sie eine Nachricht hinterlassen?«
»Ich bin Allison Healy von der
Cape Times
. Wissen Sie, wie ich ihn erreichen kann?«
»Ich bin leider nicht befugt, Ihnen seine Privatnummer zu geben.«
»Hat er eine Handynummer?«
Die Frau lachte. »Dr. Van Heerden hält nicht allzuviel von Handys.«
»Kann ich meine Nummer hinterlassen? Wird er mich zurückrufen?«
»Morgen ist er wieder hier.«
Thobela wußte, daß die Brücke ein oder zwei Kilometer vor ihm lag, so stand es auf der Karte.
Ein Kombi kam ihm entgegen. Er sah den Fahrer an, er suchte nach Anzeichen für eine Straßensperre von Gesetzeshütern oder Soldaten.
Nichts.
Er sah den grünen Saum des Flusses, er wußte, daß die Brücke knapp vor ihm lag, aber es gab keine Anzeichen irgendwelcher Aktivität.
War er weit genug östlich? Waren sie deswegen nicht hier?
Die Straße machte eine letzte Biegung. Die Brücke kam ins Blickfeld, weißes Geländer, zwei Spuren, sie war offen und frei.
Er beschleunigte, er verließ die Nordkap-Provinz, er |232| schaute hinunter auf das braune Wasser, das kraftvoll unter der Brücke hindurchfloß, die Mittagssonne spiegelte sich hell in den Wellen. Die Schleusen des Dammes mußten geöffnet worden sein, vermutete er. Wahrscheinlich wegen des Regens. Über die Brücke, über den Orange.
Hinein in den Free State.
Die Erleichterung erfaßte ihn. Sie hatten geschlampt.
Was war mit … Sein Kopf zuckte himmelwärts, er suchte nach Hubschraubern, er horchte über den Lärm des Motorrades hinweg auf ihr Grummeln.
Nichts.
Hatte er tatsächlich durch die Fahrt hinten in dem Chevy entwischen können?
Egal. Jetzt lag es bei ihm, er war in Führung und im Vorteil.
Das mußte er nutzen.
Er gab entschlossen Gas, er spürte die Kraft im Hinterrad, es kam ihm vor, als würde das Steuern leichter.
Er wollte laut lachen.
Was für eine gottverflucht wunderschöne deutsche Maschine!
Vierzehn Kilometer südlich von Koffiefontein saß ein Verkehrspolizist der Free State Traffic Authority und las.
Der weiße Polizeiwagen stand hinter den Thorn Trees, die neben dem ausgetrockneten Flußbett wuchsen, und er hatte seinen Klappstuhl so aufgestellt, daß er die Angaben auf dem Meßgerät lesen und die Straße sehen konnte, die sich nach Süden erstreckte. Er hielt ein Buch im Schoß.
Bisher war es ein durchschnittlicher Tag. Zwei Minibus-Taxis mit
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