Das Herz des Loewen
Vielleicht mit Hilfe der Wahrheit, auf die er so großen Wert legte ...
„Ja, in der Tat.“ Sie holte tief Atem. „Solange du mir einigermaßen gewogen bist, möchte ich mich entschuldigen, weil ich heute Nachmittag versucht habe, Papa zu sehen. Aber ...“
„Bei dir ist immer ein Aber im Spiel.“ Ärgerlich schüttelte er den Kopf. „Deine Unbesonnenheit gefährdet uns alle. Ich werde die Angelegenheit auf meine Weise regeln.“
„Wir werden sie regeln.“
„Megan!“ Unter dem Tisch umfasste er ihre Hand. Angesichts seiner grimmigen Miene erwartete sie, er würde ihr die Knochen brechen. Stattdessen schlang er seine Finger in ihre. „Das ist ein riskantes Unterfangen. Diese Leute sind Mörder.“
„Ich kann dir helfen.“ Ihr Lächeln hielt der finsteren Miene stand. „Weil ich die Menschen hier kenne.“
„Kleine Närrin!“, fauchte er. „Glaubst du, ich will auch noch deinen Tod auf mein Gewissen laden?“
„Ebenso wenig will ich die Schuld an deinem Tod tragen, aber ... “
„Etwas Wein, Herr?“, fragte sein Knappe, und Megan hätte den sommersprossigen Jungen küssen können, der den Becher seines Herrn füllte und das Gespräch unterbrach.
Die Entschlossenheit, die aus Ross’ Augen sprach, brachte ihre eigene fast ins Wanken. „Wir werden diese Diskussion später fortsetzen“, kündigte er an und ergriff den Becher.
„Ich ... ich habe den Wein doch noch nicht gekostet“, stotterte der Bursche.
„Hört endlich auf, mich zu bemuttern!“ Ross trank einen Schluck und schnitt eine Grimasse. „Verdammt, dieses Gesöff ist so sauer wie meine Stimmung. Seht nach, ob ihr süßeren Wein findet.“ Während der Knappe davoneilte, wandte Ross sich wieder zu Megan. Tief schauten seine blauen Augen in ihre braunen, und das Verlangen in seinem Blick wurde so sorgsam verborgen, dass sie es nicht bemerkt hätte, wäre in ihrem eigenen Herzen keine heiße Lust aufgestiegen. Aber während sie sich rückhaltlos ihren Gefühlen hingeben würde, hielt er seine im Zaum. Vorläufig.
Plötzlich drängte es Megan, die Grenzen seiner Selbstbeherrschung zu prüfen. Durch gesenkte Wimpern sah sie ihn an. „Wie geht es deiner Schulter?“, flüsterte sie und spürte, wie seine Finger zitterten, die ihre immer noch umschlangen.
„Schau mich nicht so an!“ Ross’heisere Stimme strafte seine Worte Lügen.
Megan lächelte. „Da du die Wahrheit hören willst... Du bedeutest mir sehr viel.“
„Es wäre besser, wenn du nichts für mich empfändest, denn ich habe dir nichts zu geben.“
Verzweifelt wollte sie protestieren, doch er ließ abrupt ihre Hand los, erschauerte und strich über seine Arme. „Auf einmal ist mir schrecklich kalt.“
„Trotz der Hitze in dieser Halle?“, fragte der Knappe, der wieder hinter ihn getreten war. Seine Wangen hatten sich so dunkel gerötet, dass die Sommersprossen fast verschwanden. „Seid Ihr krank?“
„Ich bin niemals krank“, erwiderte Ross und berührte seine Stirn. „Aber ich habe Durst. Großen Durst. Wo ist der Wein?“ Über seinen Kopf hinweg begegnete Megan dem besorgten Blick des Burschen, und ihre Lippen formten das Wort „Wasser“. Dann betrachtete sie forschend das bleiche Gesicht ihres Verlobten, die Schweißperlen auf der Oberlippe. Was fehlte ihm? Als er in die Halle gekommen war, hatte er kerngesund gewirkt. Und jetzt sah er elend aus.
Stöhnend schob er seinen Stuhl zurück, krümmte sich zusammen und krallte die Finger in sein Gewand.
„Owain! Andrew!“, schrie der Knappe. „Kommt schnell!“
„ Gift! “, brüllte Andrew, der in der Nähe an einem Tisch saß, sprang hoch und stieg auf das Podium. „Sie hat ihre Drohung wahr gemacht und ihn vergiftet! “
„Oh nein!“, widersprach Megan. Als Ross wieder stöhnte, vergaß sie den Entschluss, ihre Unschuld zu beweisen, und wollte nach ihm greifen.
Harte Hände stießen sie beiseite. „Weg mit Euch!“, befahl Owain. „Lasst ihn in Ruhe! “
„Ich kann ihm helfen“, beteuerte sie und stand auf. Diesmal war es Chrissy, die sie zurückhielt. „Nicht, Meggie! Sie werden dir wehtun.“
„Das kümmert mich nicht. Ich muss ihm helfen.“
Ihre Stimme wurde von ohrenbetäubendem Lärm übertönt, der die Halle plötzlich erfüllte. Inzwischen war Ross zu Boden gestürzt. Seine Ritter bildeten einen schützenden Kreis um ihren Herrn, hoben seinen Körper, der sich in wilden Qualen wand, auf die Schultern und trugen ihn hinaus. Megans Herz folgte ihm. Wenn er tatsächlich
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