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Das Herz des Loewen

Titel: Das Herz des Loewen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Barclay
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wäre nur eine weitere Lüge gewesen. Wenn kein Wunder geschah, würden sie nie mehr ein glückliches Leben führen. „Es tut mir so leid, Mama.“ Oh, warum hatte Papa dieses Leid heraufbeschworen. Ross irrte sich. Die Wahrheit konnte größeren Schaden anrichten als eine Lüge. „Übrigens, ich habe die Liste der alten Sagen fast vollendet“, berichtete sie, um das Thema zu wechseln.
    „Dann bin ich froh, dass uns dieser grauenhafte Tag auch etwas Erfreuliches gebracht hat.“ Unvergossene Tränen glänzten in Lady Marys Augen. „Wenn ich mir vorstelle, wie Eammon oben in seinem Turmgemach sitzt, mit ihr, während ich das Grinsen und die wissenden Blicke unserer Gäste ertragen muss ... “
    Megan stöhnte. Nachdem die Mutter begonnen hatte, sich die ganze Bitterkeit von der Seele zu reden, die sich so lange in ihr gestaut hatte, konnte sie offenbar nicht mehr aufhören. Trostlose Stunden bahnten sich an.
    „Ah, guten Abend, Myladys! “ Lord Nigel sank auf den Stuhl an der anderen Seite seiner Gastgeberin. Wie sein gerötetes Gesicht und die unsichere Hand verrieten, die den Weinkrug ergriff, hatte er schon den ganzen Tag getrunken. „Der Laird wird nicht herunterkommen“, verkündete er, füllte seinen Becher und setzte ihn an die Lippen.
    Schmerzlich seufzte Lady Mary auf. „Ihr habt mit ihm gesprochen?“
    „Nein, ich erfuhr es von Archie.“ Lord Nigel wies auf einen Tisch in der hinteren Reihe, wo der Hauptmann im Kreis seiner Speichellecker Hof hielt. Es waren keine üblen Männer, nur Schwächlinge, die eine Gunst erhofften, wenn sie ihm versicherten, wie klug er sei. Das stimmte nicht - er war zwar stark und schwang kraftvoll das Schwert, konnte aber nur handeln, wenn man ihm Anweisungen gab.
    Hingegen ist Comyn viel schlauer, als er scheint, dachte Megan und beobachtete ihren einstigen Verlobten, der nun in die
    Halle trat. Viel raffinierter, viel heimtückischer. Er trat nicht freimütig und kühn ein. Nein, er huschte verstohlen an der Mauer durch die Schatten, wie eine Schlange, die sich an eine Maus heranmachte.
    Ein Schauer rann über Megans Rücken. Wenn etwas Böses auf Curthill geschah, dann würde sie jede einzelne Seite ihres kostbaren Legendenbuchs darauf verwetten, dass Comyn dahintersteckte.
    „Comyn, Ihr seid hochwillkommen! rief Lord Nigel. „Setzt Euch zu mir!“
    Bereitwillig folgte Comyn der Aufforderung und musterte Megan. Das selbstgefällige Glitzern in seinen hellen Augen steigerte ihr Unbehagen zu kalter Angst. Irgendetwas führte dieser gerissene Schurke im Schilde. Aber wie sollte sie das beweisen?
    „Oh Meg“, wisperte Chrissy. „Da naht dein Verlobter ...“
    „Vermutlich wird er mir die Hölle heißmachen“, erwiderte Megan. Unwillkürlich verglich sie seinen Auftritt mit der Art und Weise, wie sich Comyn hereingeschlichen hatte. Obwohl Ross ein Fremder in Curthill war, ging er hocherhobenen Hauptes zwischen den Tischen hindurch, in der siegessicheren Haltung eines Eroberers. Seine Kleidung, ganz in Rot und Schwarz gehalten, betonte das dunkle Haar, das wie Ebenholz schimmerte, und das gebräunte Gesicht. So großartig sah er aus - und so zornig. Irgendwie musste sie seine feindselige Gesinnung gegen Comyn richten.
    „Lady Mary ...“ Er verneigte sich vor der Burgherrin und nahm neben Megan Platz, ohne sie anzuschauen.
    Wut verdrängte ihre Beklommenheit. Niemals würde sie ihm erlauben, sie so zu behandeln wie ihr Vater die Mutter. Sie zog ihr kleines Messer, das sie zum Essen benutzte, aus dem Gürtel und bohrte die Spitze ins leinene Tischtuch, direkt neben Ross’ Hand.
    „Bei allem, was heilig ist!“ Hastig zog er seine Finger zurück, um sie in Sicherheit zu bringen. „Warum hast du das getan?“
    „In meiner eigenen Halle lasse ich mich nicht ignorieren.“
    Erstaunt hob er die Brauen. „Bist du wahnsinnig?“
    „Nun, du willst doch, dass wir einander immer nur die
    Wahrheit sagen“, entgegnete sie so leise, dass nur er die Worte hörte. „Und das ist die reine Wahrheit. “
    Seine Mundwinkel zuckten. Offenbar musste er einen Lachreiz bekämpfen. „Du besitzt einen scharfen Verstand und eine ebenso scharfe Zunge.“
    „Deshalb passen wir beide gut zusammen.“
    „Tatsächlich?“ Ein Lächeln milderte seine markanten Züge. Sanftmut und Zärtlichkeit strahlten aus seinen Augen.
    Was hatte ihn veranlasst, diese wunderbaren Eigenschaften sogar vor sich selbst zu verbergen? fragte Megan sich. Und wie konnte sie die seelischen Wunden heilen?

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