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Das Herz des Menschen: Roman (German Edition)

Das Herz des Menschen: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz des Menschen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson
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ging darum, die St. Louisa möglichst schnell vom Kai wegzubekommen; ein anderes Schiff lag schon wartend im Hafenbecken, schwer mit Salz beladen. Um Fisch einzusalzen, braucht man Salz, und darum musste die Louisa zügig entladen werden, sehr zügig. Die Männer sollten endlich einmal zeigen, aus welchem Holz sie geschnitzt waren, reinhauen wie die Berserker und keine Pause machen, und wenn ihnen vor Müdigkeit die Arme abfielen, sollten sie sie eben wieder anschrauben. Kjartan der Stauervize war in seinem Element, er versteht es, die Männer mit Anschnauzen zur Arbeit zu treiben. Manchmal arbeiten sie die Nacht durch bis zum nächsten Morgen, und meutern die Männer, wollen sie nach Hause, dann bitte schön, værsgo , aber wiederzukommen brauchen sie nicht so bald.
    Skúli hat einige scharfe Artikel gegen diese Ausbeutung verfasst, Skúli hat Mumm, auch wenn sein Stil nicht gerade geschliffen ist, er ficht nicht mit dem Florett, eher mit der Keule. Es ist gut, dass sich Skúli mit diesen Teufeln anlegt, aber es ist überhaupt nicht lustig, die Arbeit zu verlieren oder in Ungnade zu fallen. Dann machst du aber dicke Backen, um das durchzustehen, oder willst du etwa deine Kinder im Sommer hungern und im Winter vor Kälte sterben sehen? Nein, da ist es leider immer noch besser, alles zu schlucken und zu malochen, reinzuhauen, wie einem aufgetragen wird. Die heilige Louise wurde also um alles erleichtert, was das Ausland zu bieten hat, um Feigen, um Aquavit, Baumwolle, glatt gehobeltes Qualitätsholz, Kaffee und sogar Kisten mit Äpfeln. Oddur konnte geschickt eine öffnen, ohne dass man es sah, und steckte sich zwei Äpfel in die Tasche. Und als der Sturm die Junihelligkeit in Fetzen riss, über den Häusern brüllte, sodass es laut in den Bergen widerhallte, da saßen Rakel, Oddur und Lúlli bei den beiden Männern zu Hause, hatten die Äpfel klein geschnitten und verzehrten andächtig das Obst, das Sonne und Wärme ferner Länder in sich aufgenommen hatte. Rakel lächelt. Lieber Gott, ist das schön, sie so nah bei sich lächeln zu sehen! Aber der Sturm rüttelt heftig an dem kleinen Haus, die Welt hat sich in ein einziges Brüllen verwandelt. Woher kommt diese wütende Kraft – jetzt, wo doch der Juni Regenpfeifergesang über unserem Dasein sein sollte?
    Nachdem sie im Lauf des Abends die Ladung der Louisa gelöscht hatten, ist Oddur zu Rakel gegangen. Wir sahen, was da im Anzug war, sich verdüsternde Wolken, zunehmender Wind, vereinzeltes Dröhnen in den Bergen, als könnten sie eine unterdrückte Wut nicht mehr im Zaum halten. Oddur lud sie ein, zu ihnen zu kommen, es sei ein Sturm im Anzug oder zumindest richtig schlechtes Wetter, und außerdem habe er etwas, das er und Lúlli gern mit ihr teilen wollten.
    Ist ja auch nicht nötig, dass du bei solchem Unwetter allein bist.
    Sie ist aber oft bei schlechtem Wetter allein gewesen, bei fürchterlichstem Winterwetter sogar, und sie hat dabei nie Angst empfunden, die einzigen Stürme, vor denen sie sich ängstigte, waren solche, die in den Menschen steckten, genauer gesagt in Männern, die sind schlimmer, unendlich viel schlimmer, gegen die hilft es nicht, sich dick anzuziehen oder sich irgendwo unterzustellen, die dringen in dich ein und füllen dich mit Angst und Schrecken, lassen das Blut in deinen Adern erstarren. Solche Stürme in Männern hat Rakel natürlich nicht erwähnt, sondern gesagt: Sturm ist lediglich Wind, der es eilig hat. Davor braucht man kaum Angst zu haben.
    Trotzdem, beharrte Oddur, es wäre schön, wenn du uns besuchen kämest.
    So ist sie denn mit ihm gegangen, obwohl sie es eigentlich nicht vorhatte und sich nicht richtig traute. Etwas in ihr nahm ihr die Entscheidung ab, und Gísli sah sie mit Oddur zusammen fortgehen. Ach je, jetzt verliere ich sie, dachte er. Da geht sie aus dem Keller, und von nun an gibt es nichts mehr zwischen mir und dem Teufel. Vielleicht sollte ich dir den Keller vermieten, sagte er zu seinem Spazierstock, der neben der Tür an der Wand lehnte und natürlich weder Augen, Mund noch ein Herz hat. Es würde nichts helfen, ihm einen Namen zu geben; auch Namen machen aus Toten nichts Lebendiges. Doch die drei, Oddur, Rakel und Lúlli, essen Äpfel, und sie lächelt, und Oddurs Herz macht einige heftige Extraschläge, doch draußen in der Hafenbucht schaukelt die heilige Louise bedenklich auf dem Wasser.
    Sie schwankt mit Mann und Maus und Schiffskater, der noch ein halbes Kätzchen ist und Angst vor Ratten hat und vor

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