Das Herz des Menschen: Roman (German Edition)
Sturms musste er auf sein Schiff. Der Kater, dieses tapsige Kätzchen, freut sich, ihn bei sich zu haben, einen so großen Menschen mit kräftiger, beruhigender Stimme, denn das Schiff schaukelt doch so grässlich. Ein paarmal hat er ängstlich gemaunzt, aber Andersen hat ihn beruhigt, die große Hand war so beruhigend, und der Kater ist schnurrend eingeschlafen. Die St. Louisa schaukelt, sie schaukelt ganz außergewöhnlich heftig, und Andersen richtet sich unvorsichtig abrupt auf und weckt die Katze, die sich leise beschwert. Das Tier öffnet ein Auge einen Spalt weit, miaut leise: Wo ist deine Hand? Und Andersen legt achtlos die schwere Hand zurück, streichelt und beruhigt. Etwas hat ihn aufgeschreckt aus dem Schlummer, in den er gerade versunken war. Er streichelt die Katze, guckt leer vor sich hin und denkt als Erstes an Geirþrúður. Das Einfachste wäre, die Verbindung zu ihr abzubrechen. Das wäre bei Weitem die einfachste Lösung. Das würde seinen Umgang mit den Leuten in diesem gottvergessenen Ort erleichtern. Das Verhältnis zu den Kaufleuten, mit denen er Geschäfte macht, ist abgekühlt, seit er sich zu Geirþrúður hingezogen fühlt. Aber gerade das Einfachste, das auf der Hand liegt, ist manchmal nicht machbar. Jetzt beende ich das, hat er schon manches Mal gedacht, wenn sie im Frühjahr Kurs Richtung Norden setzten, zur Kälte und zum Licht. Doch sobald er das Land sieht, sobald er es aus dieser ungeheuren Tiefe aufsteigen sieht, wird sein Verlangen so stark, dass er sterben könnte, seine Sehnsucht wird so groß, dass er weinen könnte.
Manchmal im Winter, wenn wir vielleicht im Mittelmeer unterwegs sind, wache ich auf einmal mit deinem Geruch in der Nase auf, und dann bekomme ich kaum Luft und vermisse dich, dass es nicht auszuhalten ist.
Vermissen ist gefährlich, hat Geirþrúður gesagt, aber dazu gelächelt, ein schönes Lächeln, wie eins, gegen das sie nicht ankam.
Das Schiff schaukelt. Er hat sich vergessen, Lust, Verlangen, Sehnsucht, Liebe, all das hat seine Aufmerksamkeit und sein Verantwortungsgefühl abgelenkt. So heftig sollte das Schiff nicht schwanken. Diese Volltrottel haben vergessen oder keine Lust gehabt, Ballast an Bord zu nehmen. Sie haben nicht mit einem solchen Sturm gerechnet, ist doch Sommer, in all dem Licht ist doch gar kein Platz für solch einen Sturm.
Das gefällt mir nicht, knurrt Andersen, deckt den Kater zu wie ein kleines Kind, küsst ihn sogar mit dem Anflug eines Lächelns in den Mundwinkeln, und das Katerchen grunzt vor Wohlbehagen. Andersen richtet sich auf, und vielleicht ist es derselbe Moment, in dem der Junge aus dem Fenster guckt. Er hat nicht schlafen können, sich aber nichts daraus gemacht und sich darangesetzt, möglichst lange Mister Dickens zu übersetzen; er genoss es, das Lob und die Anerkennung von Geirþrúður, Helga und Gísli sangen in ihm, und mit derart jubilierendem Blut in den Adern kann man auch nicht schlafen, weshalb er über vier Stunden an der Arbeit gesessen hat. Glücklich zieht er die Vorhänge auf. Hui, da ist aber was los, murmelt er überrascht, hat von dem Sturm kaum etwas mitbekommen, ihn völlig ausgeblendet, den Regen, der die Berge überschüttet, ebenso wie den brüllenden Wind. Zwischen den Häusern hindurch sieht er das Hafenbecken und die schwer schaukelnde St. Louisa und denkt: Ach, du Schande! Ihm wird flau, er zieht den Vorhang zu, legt sich aufs Bett, lächelt, schließt die Augen und denkt kurz an seinen Bruder. Wo mag er jetzt sein, und wie lässt sich das herausfinden? Der Schlaf nähert sich, er hört noch einen dumpfen Knall, ein krachendes Dröhnen in den Bergen, als eine gewaltige Bö in diesen Flecken Erde einfällt, diesen hintersten Winkel, der unser Kosmos ist. Eine gewaltige Bö, fast eine Detonation, von der die Bergwände über dem schlafenden Ort widerhallen. Dann geht das durchdringende Krachen vorüber, für Sekundenbruchteile wird alles still, sogar der Regen hört auf, die Tropfen erstarren in der Luft wie Abertausende durchsichtiger Augen, als hätte der Sturm mit dieser Bö seine Kraft verbraucht und hielte nun inne, um zu sehen, ob er etwas Sichtbares ausgerichtet hat. Ich schlafe ein, denkt der Junge, ich schlafe in dieser Stille ein, wenn das Unwetter aufhört und die Regentropfen keine Tropfen mehr sind, sondern durchsichtige Augen. Was diese Augen sehen, berichten sie dem Himmel.
XIV
Ein furchtbares Unglück, steht einige Tage später im Þjóðviljinn zu lesen, nachdem der Sturm
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