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Das Herz des Menschen: Roman (German Edition)

Das Herz des Menschen: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz des Menschen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson
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Snorri ausgenutzt und das Schiff zum Schnäppchenpreis erworben hatte, die kaltschnäuzige Hündin, ganz sicher mit Silber, das sie vom Teufel persönlich hatte. Das tat weh. Tryggvi dürfte kaum erfreut sein. Friðrik ist jähzornig, und ein nervöser Oberbuchhalter überbrachte ihm die Neuigkeit. Keiner von beiden hat etwas über diese Besprechung verlauten lassen, wir wissen daher nicht genau, wie Friðrik reagiert hat. Jemand hat behauptet: Er hat alles, Tintenfass, Feder, Akten, Zeitungen, vom Schreibtisch gefegt. Ein anderer meinte: Er hat Högni fast den Kopf von den Schultern gebrüllt. Aber das ist nur Klatsch, sind nur Mutmaßungen; sicher wissen wir jedoch, dass Friðrik eine Pistole hervorholte, die er im Winter von einem ausländischen Kapitän zum Geschenk bekommen hatte, einen sechsschüssigen Revolver, und ihn draußen an die Außenwand des Hauses entleerte. Die Schüsse waren zu hören, keiner hat sie genau gezählt, vier, fünf, sechs, aber es wurde aus einem Revolver geschossen, es sind Einschusslöcher in der Wand, und wir haben das Knallen gehört. Schüsse sind nichts Alltägliches hier am Fuß der Berge.

XX
    Wenn Gott Anstand im Leib hätte, würde er ihnen tüchtig in den Arsch treten.
    Snorri und Marta stehen draußen vor Snorris Laden, als der Junge kommt, um dem gescheiterten Kaufmann etwas zu essen zu bringen.
    Wer anderer Leute Schulden begleichen kann, kann sich auch irgendwo eine Wohnung mieten, hatte man Snorri aus Tryggvis Landhandel wissen lassen.
    Snorri ist also aus seinem eigenen Haus vor die Tür gesetzt worden, und er hat nur ein paar Bücher, Notenhefte und Bilder von seinen Jungen bei sich.
    Wenn Gott Anstand im Leib hätte, würde er ihnen tüchtig in den Arsch treten, sagt Marta zu dem Jungen. Sie und Snorri sind unterwegs zum Hotel Weltende . Snorri ist ganz willenlos, ihm ist alles gleichgültig. Der Junge schaut ihnen nach. Snorri ist mager geworden, dünn wie eine Saite, auf der das Leben sein trauriges Lied spielt, Marta dagegen ist das blühende Leben, ein Ausrufungszeichen in der Welt.
    Der Junge kehrt langsam ins Haus zurück und denkt an Jens, nach dem sich Marta erkundigt hat. Ist er wieder einigermaßen gesund?
    Er hat es bis nach Hause geschafft, antwortete der Junge. Ich will ihm übrigens heute Abend schreiben.
    Da sagte Marta, ehe sie sich mit Snorri im Schlepptau wie ein havariertes Schiff auf den Weg zum Hotel machte: Jens hat man ja immer jedes Wort einzeln aus dem Mund ziehen müssen, manchmal war es, als hätte er überhaupt keinen Mund, aber es fehlt mir, nicht mehr auf ihn zu warten, das kannst du ihm von mir ausrichten. Gestern habe ich übrigens den neuen Postboten gesehen, und an dem war nicht viel dran, eigentlich gar nichts.
    Ich schreibe ihm heute Abend, wenn ich auf mein Zimmer komme, ich muss, denkt der Junge, als er gerade an der Schule vorbeigeht. Er guckt nach oben und trifft im Fenster des Obergeschosses auf den Blick von Bjarni, dem Maler und Hilfslehrer. Er hat durch einen Auftrag von Tryggvi alle Hände voll zu tun, er soll von sämtlichen Schiffen der Firma ein Gemälde anfertigen und damit vor Tryggvis Eintreffen fertig sein. Sie tauschen einen schnellen Blick, und der Junge denkt, es muss eine erfüllende Tätigkeit sein, malen zu können, die Welt, Licht und Berge mit Pinsel und Farbe einfangen zu können. Wäre gut, ihn einmal nach dem Altarbild in Sléttueyri zu fragen, sozusagen im Vorbeigehen beiläufig zu erwähnen, dass er, der Junge, das Bild dort zusammen mit Vigfús betrachtet habe. Du weißt, er ist einer von den Aposteln im Boot, würde er sagen und dann kurz, nur der Vollständigkeit halber, erwähnen, dass auch eine junge Frau dabei war, allerdings ohne ihre grünen Augen und roten Haare zu beschreiben. Wie malt man eigentlich Haare, die so rot sind, dass man sie durch die Berge hindurch sehen kann, die doch dicker und dichter sind als Menschenleben? Darüber würde ich mich gern einmal unterhalten, denkt der Junge beziehungsweise es durchzuckt ihn der Gedanke, und der Wunsch, sich einmal mit Bjarni zu unterhalten, mit jemandem, der auch einmal an etwas anderes als Fisch und Alltag denkt, führt dazu, dass er Mitgefühl für den Maler am Fenster entwickelt. Er lächelt und winkt mit der Linken zu ihm hinauf. Bjarni hebt die Rechte und zieht schnell die Gardine vor.
    Ich hätte ihn wohl nicht grüßen sollen, denkt der Junge und lächelt Svandís zu, die gerade die Straße entlangkommt. Sie lebt im Armenhaus, ist

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