Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)
venezianischer Prinz erst kürzlich eine unbezahlbare, mit seltenen Juwelen besetzte Tiara geboten hatte, für nur eine einzige Nacht in ihrer Gesellschaft. Eine Frau, nach der Pontifex gegiert hatte – Michaela.
Ihr Gesicht war abgewandt, ihr dunkles Haar ein seidiges Gewirr auf dem Kissen. Sie lag da, die Arme ungezwungen über dem Kopf ausgestreckt, die Beine noch immer leicht angewinkelt und gespreizt. Der Saum ihres duftigen Gewandes hing tief zwischen ihren Beinen wie eine Art exotisches Fahnentuch, das kaum den Anstand wahrte.
Schnell schloss Silvia die Tür und sperrte hinter sich ab. »Michaela!«, flüsterte sie.
Die Laken raschelten leise, als Michaela sich auf die Ellbogen stützte. »Via? Bist du das?« Ihre violetten Augen entdeckten Silvia am anderen Ende des Zimmers, und ihre Lippen, noch tiefrot von den Küssen ihres Liebhabers, verzogen sich zu einem entzückten Lächeln. Direkt nach dem Liebesspiel war sie schlichtweg atemberaubend.
Und schlichtweg … sterblich?
Mit einem stummen Stoßgebet, dass sie sich irren möge, eilte Silvia zu Michaela, ergriff ihr Handgelenk und drehte es so, dass sie es betrachten konnte. Als sie Blut durch blassblaue Adern pulsieren sah, ließ sie wieder los und wich entsetzt einen Schritt zurück. »Was hast du getan? Du hast dich wieder zur Fee gemacht – einer Sterblichen?«
»Wie du siehst«, antwortete Michaela ohne ein Zeichen von Reue. »Ich habe tatsächlich meine ursprüngliche Gestalt wieder angenommen, und zwar dauerhaft. Ich bin keine Geistwandlerin mehr. Niemals mehr.«
In den letzten fünfzehn Jahrhunderten war jede von ihnen von einem sterblichen Wirt zum nächsten gewandert, um zu überleben. Ihre körperliche Form konnten sie immer nur für kurze Zeit annehmen, bevor sie sich wieder mit einem neuen Wirt verbinden mussten, der dann wiederum zum nächsten Vollmond durch einen anderen ersetzt werden musste. Es hatte ganz so ausgesehen, als würden sie beide auf ewig Geistwandlerinnen bleiben, ebenso wie die Freundschaft zwischen ihnen dazu bestimmt schien, ewig zu währen. Und nun, in nur einem Augenblick, hatte sich das alles geändert.
»Du wirst sterben!«
Michaela lächelte und warf ihr einen neckenden Blick zu. »Nicht jetzt gleich. Aber irgendwann schon. Sterbliche machen das so. Och, sei nicht böse auf mich, Via«, meinte sie schmeichelnd. Dann rollte sie sich auf die Knie und streckte beide Hände nach der Freundin aus.
»Böse? Du hast deine Unsterblichkeit weggeworfen, nur wegen einer Schwärmerei für einen Satyr. Erwartest du etwa, dass ich dich dafür beglückwünsche?« Aufgewühlt lief Silvia auf dem dicken Teppich hin und her, auf dem, umrankt von Weinreben, exotische Untiere der Anderwelt abgebildet waren. Oger, Monster, Dämonen – sie hatte gegen alle gekämpft. Aber nichts hatte ihr jemals so viel Angst eingejagt wie der Gedanke, ihre liebste Freundin an den Tod zu verlieren.
»Ich habe mich verliebt. Ich wollte mit Bastian zusammen sein, in meiner eigenen Gestalt, und das bedeutete, dass ich sterblich werden musste. Es ist getan. Und es kann nicht mehr ungeschehen gemacht werden. Ich gehe nie mehr zu Pontifex zurück. Lass uns nicht weiter darüber sprechen.« Michaela schlug die Decken zurück und rückte zur Seite. »Und jetzt komm und setze dich neben mich. Wir haben uns seit Monaten nicht gesehen.«
Silvias Blick fiel auf Michaelas Bauch. Ihre Augen weiteten sich, und bestürzt presste sie sich eine Hand auf die Brust, als ein weiterer Schock sie wie ein Schlag traf. Wenn sie sich nicht sehr täuschte, erwartete ihre beste Freundin ein Kind.
»Oh, nein.« Entsetzt sah sie Michaela in die Augen – und sah dort die gefährliche Wahrheit.
»Wie konntest du nur so töricht sein?«, fragte Silvia. »Ist es von ihm?« Sie nickte in Richtung Tür, ein Hinweis darauf, dass sie den Mann meinte, der sich jenseits derselben befand.
»Nein.« Michaela legte eine Hand auf ihren leicht gerundeten Bauch, als wolle sie ihn vor Silvias Missbilligung schützen, und wandte den Blick ab. Sie verschwieg doch etwas!
»Von wem dann?«, beharrte Silvia. Sie versuchte, Michaelas Blick wieder auf sich zu lenken, während sie Anstalten machte, sich neben ihr am Bettrand niederzulassen.
Michaela zuckte mit den Schultern. »Es ist einfach passiert. Berufsrisiko.«
»Weiß er es?«
»Dass ich ein Kind erwarte?«, fragte Michaela. »Natürlich. Aus dem Grund hat er mich ja in sein Haus geholt.« Sie lächelte glücklich. »Er ist eine
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