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Das Herz des Südens

Das Herz des Südens

Titel: Das Herz des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gretchen Craig
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möblierten Kämmerchen über einem der vielen Metzgerläden. Phanor machte sich derweil auf die Suche nach einem Papier, mit dem er sein Eigentumsrecht an »Alain« nachweisen konnte. Er hatte ein solches Dokument schon einmal gesehen, als er mit zwei Sklaven in den Hafenanlagen gesprochen hatte. Sie hatten sich mit ihrem Herrn so geeinigt, dass sie ihm sechzig Prozent ihres Lohns abgaben und über die restlichen vierzig Prozent frei verfügen konnten. Die beiden waren so oft von irgendwelchen weißen Schurken behelligt worden, dass ihr Herr ihnen erlaubt hatte, eine Kopie ihrer Papiere bei sich zu tragen.
    Wenn Phanor Papiere besorgte, auf denen Remy als Freigelassener erschien, dann war Remy der Willkür jedes weißen Sklavenhändlers ausgeliefert, der skrupellos genug war, ihn von der Straße weg zurück in die Sklaverei zu zwingen. In den großen Städten gab es genug Männer dieser Sorte, sodass das Risiko sehr hoch war, vor allem für einen unerfahrenen Stadtbewohner wie Remy. Da war es sicherer, ihn als Eigentum eines Weißen auszugeben, sodass er unter dem Schutz seines Besitzers stand. Der Rest kam später.
    Beim Schreibwarenhändler suchte Phanor drei Blätter besonders offiziell aussehenden Papiers und kaufte eine frische Feder für seinen Federhalter. Zurück in seinem Zimmer, übte er auf einem alten Bogen Papier immer wieder die Fälschung, bis er mit der Wortwahl zufrieden war und die Überschrift richtig platziert hatte. Dann schrieb er eine Urkunde. Ein gewisser Phanor DeBlieux hatte einen gewissen Alain im Jahr des Herrn 1832 für eine Summe von achthundert Dollar käuflich erworben. Dann experimentierte er mit einem der anderen Blätter, um es alt und abgegriffen aussehen zu lassen. Er tränkte es in einem schwachen Schwarztee, was eine sehr gute Wirkung hatte, aber die Tinte verlaufen ließ, sodass er mit dem letzten Blatt noch einmal von vorn beginnen musste. Mit feinem Löschsand konnte er das Papier so aufreiben, dass es schön abgegriffen aussah, und dann faltete er es immer wieder, bis es weich und verknittert war.
    Mit diesem Dokument in der Tasche ging Remy hinunter in den Hafen, um als Stauer anzuheuern. Der Vormann stellte ihm ein paar Fragen, warf einen Blick auf das Schreiben, das bewies, dass Remy nirgendwo weggelaufen war, und ließ ihn dann Baumwollballen auf ein Schiff nach New York tragen.
    Spät nachts kehrte er in die Rue Boucher zurück. Unter Phanors Betreuung lernte er, mit dem Geld umzugehen, und stellte fest, dass er fast ein Viertel seines Lohns sparen konnte. Irgendwann würde er genug zur Verfügung haben, um Cleo freizukaufen.
    Phanor kaufte Kreide und eine Tafel und begann, Remy an den Abenden Lesen und Schreiben beizubringen. Während Remy auf der Tafel die ersten Buchstaben übte, studierte Phanor die französische Grammatik, die Madame Emmeline ihm geliehen hatte. Als er sie zum ersten Mal aufgeschlagen hatte, war ihm Josies kindliches Gekritzel auf dem inneren Umschlag begegnet: Vorname, mittlerer Name, Familienname. Mit einem Finger hatte er lächelnd die Buchstaben nachgefahren, die runden Bogen und Schleifen. Sie würde sich amüsieren, wenn sie wüsste, dass er ihre alte Grammatik bei sich hatte. Eines Tages würde er sie ihr zeigen, und sie würden sich die Seite im ersten Kapitel anschauen, die voller Flecken war. Es sah verdächtig nach Schokolade aus.
    Als Phanor den Brief von Josephine bekommen hatte, in dem sie ihn ins Haus ihrer Tante bat, hatte er schon drei Wochen mit der Grammatik hinter sich. Er ließ sich Zeit, zerriss den ersten Versuch und brachte schließlich ein anständiges Antwortschreiben zustande. Die zwei Stunden, die ihm bis zum vereinbarten Termin blieben, nutzte er, um seinen Mantel auszubürsten, seine Stiefel auf Hochglanz zu polieren und sich selbst von Kopf bis Fuß abzuschrubben.
    Trotz all dieser Vorbereitungen war er eine halbe Stunde zu früh in der Nähe von Marguerite Sandrines Haus, und so ging er erst noch einmal zurück zum Fluss und setzte sich ein wenig auf den Deich. Der Mississippi war an dieser Stelle vollkommen verdreckt. Natürlich waren immer Baumstämme auf dem Fluss zu sehen, aber hier waren es auch abgenagte Tiergerippe und aller Schmutz, der aus der Stadt kam. Wenn der Fluss schmaler gewesen wäre, dachte Phanor, hätte man am Ufer kaum atmen können vor lauter Gestank. Und auch so war der Anblick der Schiffe, die ein- und ausfuhren, keine Entschädigung für die grauenhafte Luft. Phanor ging zurück in die

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