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Das Herz des Südens

Das Herz des Südens

Titel: Das Herz des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gretchen Craig
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Eichen waren eine gewisse Erleichterung, aber Josie konnte unmöglich etwas essen. Bibi füllte ständig ihr Glas nach, und sie trank auch, aber allein der Gedanke an das gebratene Huhn auf ihrem Teller verursachte ihr Übelkeit.
    »Mercy«, sagte Abigail, als ihr der Herr gegenüber einen Teller mit Eingemachtem reichte. Mercy war ein englisches Wort, dachte Josie. Ach, sie meinte Merci! Du lieber Himmel, ihr Französisch war noch schlechter als Josies Englisch.
    Abigails Bruder Albany sagte ein paar Worte zu Josie, aber sie nahm ihn kaum wahr. Das Gesumm der Fliegen, die versuchten, aus der Zuckerfalle zu entkommen, füllte allmählich ihren gesamten Kopf aus, sodass seine Stimme nur noch wie von ferne zu hören war.
    Als Pater Philippe seine Glocke läutete, standen alle auf und versammelten sich im Hof, wo der Priester seinen Altar aufgebaut hatte. Josie, Papa, Grand-mère und die vielen Tanten saßen in den vordersten Bänken.
    »Dominus vobiscum«, intonierte der Pater.
    »Et cum spiritum tuum«, antwortete die Trauergemeinde.
    Nach der Messe führte Pater Philippe den Trauerzug zur Familiengruft an der südlichen Ecke des Hauses. Der kleine Friedhof roch nach frischer Erde und nach Sommerhitze. Die Sonne brannte erbarmungslos auf Josies schmerzenden Kopf, denn der Pater beanspruchte die einzige schattige Stelle für sich, und neben ihm stand Grand-mère.
    Während die Stimme des Paters weitersummte, achtete Josie nur auf ihren Vater. Armer Papa, er stand so still und aufrecht da, aber sein Gesicht war nass von Tränen.
    Auch Tante Marguerite weinte um Maman, nur Josie, so seltsam es ihr vorkam, konnte nicht weinen. Ihre Augen waren heiß und verschwollen, aber sie hatte keine Tränen mehr. Der lauteste Trauergast war Abigail Johnston. Josie beobachtete, wie Albany seine schluchzende Schwester aus der Menschenmenge zog und wegführte. In diesem Augenblick spürte sie, wie Papas Hand die ihre drückte und wie sehr er zitterte. Er würde sie von jetzt an brauchen.
    Allmählich kehrte wieder Ruhe im Haus ein. Die Kinder schliefen auf den Dielen, während die Frauen im Salon und in der Garçonnière plauderten. Die jungen Mütter lehnten an den Kopfenden der Betten und überließen den Älteren die Stühle. Auf der Veranda, die zum Fluss zeigte, hatten sich die Männer versammelt, um in der Abenddämmerung ihre Zigarren zu rauchen.
    Josie stand noch am Grab und nahm die Beileidsbekundungen der Sklaven entgegen. Ellbogen-John stand hinter ihr, obwohl es Josie lieber gewesen wäre, Bibi oder Cleo an ihrer Seite zu haben. Aber die beiden wurden zum Bedienen der Gäste gebraucht, und Papa und Grand-mère waren mit den Chamards beschäftigt, den Verwandten vom Cane River.
    Josie hatte grauenhafte Kopfschmerzen. Dies würde ihre letzte Aufgabe für heute sein; danach konnte sie sich in ihr Bett flüchten. Sie trug immer noch das verschwitzte schwarze Kleid, dessen Rotstich jetzt in der Dämmerung zum Glück nicht mehr zu sehen war. Die Familiengruft war zu dem traurigen Anlass frisch weiß gestrichen worden, und der Wind brachte den Duft der Magnolien und eine Ahnung von Regen vom Fluss mit.
    Allein oder zu zweit kamen die Männer, Frauen und Kinder aus den Unterkünften auf den kleinen Friedhof. Sie legten Sträuße mit Feldblumen auf das Grab, Muschelketten, manche auch eine Handvoll Glasperlen. Ursuline, von der jeder wusste, dass sie Voodoo praktizierte, obwohl sie ein Holz-kreuz um den Hals trug, grub blitzschnell ein kleines Loch in die Erde und bedeckte ihre Gabe ebenso schnell wieder. Maria legte zwei rote Federn aufs Grab, und immer mehr Blumen bedeckten die ersten Gaben.
    Josie begrüßte jeden, der an ihr vorbeiging. Diejenigen, deren Namen sie nicht kannte, sprach sie mit einem »Gott segne dich« an und nickte ihnen zu.
    Danach blieben die Sklaven noch ein Weilchen zusammen auf dem Friedhof. Ihre Klage begann leise, ganz sanft, und das Summen des alten Sam war überall zu hören. Manche begannen zu stöhnen, andere weinten laut. Josie schwang im gleichen Rhythmus mit, bis sie fürchtete, sich allzu sehr gehen zu lassen, und die Hand nach Ellbogen-John ausstreckte, der sie von der wachsenden Intensität der Klagegesänge wegführte.
    Das Klagen und Singen schwebte mit dem Wind zum Herrenhaus, als Josie mit Ellbogen-John durch die Nacht ging. Von Westen her donnerte es leise. John hielt die Kerze hoch, aber davon wurde die Finsternis außerhalb des kleinen Lichtkreises nur noch schwärzer.
    Im Küchenhaus

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