Das Herz des Südens
brannte noch Licht. Als Josie sich der Ecke des Blockhauses näherte, hörte sie Louellas Stimme. »Hast du ein Bündel auf ihr Grab gelegt, damit sie bleibt, wo sie ist?«
»Nein, das tue ich nicht, Louella, so gemein könnte ich nie sein.« Das war Bibis Stimme.
»Nach allem, was sie dir und dem armen Kleinen angetan hat?«
Josie blieb stehen und sah durch das Fenster auf die beiden Frauen, die noch Mais mahlten. Louella und Bibi, die sie ein Leben lang bemuttert hatten, die für sie gesorgt und sie geliebt hatten. Sprachen sie über Maman?
»Das ist lange her, Louella, und nur der liebe Gott weiß, ob Thibault wirklich so geworden ist, weil sie mich geschlagen hat.« Bibi hob das Kinn. »Und was Monsieur Emile angeht, so habe ich von ihm immer nur Gutes erfahren, das weiß ich.«
Ellbogen-John nahm Josie am Arm, um sie weiterzuziehen, aber sie widersetzte sich.
»Madame Celine konnte nun mal nicht anders, als mich hassen«, fuhr Bibi fort. »Ich werde keine magischen Sachen auf ihr Grab legen, und Cleo auch nicht.«
Da ließ John einen Pfiff ertönen, und die beiden Frauen sahen sich erschrocken an und verstummten. Josie kämpfte ihren Arm frei und rannte zur Veranda, die sie im Licht der glühenden Zigarren bereits ausmachen konnte. Sie sagte den Männern hastig gute Nacht, und dann konnte sie sich endlich in ihr Zimmer zurückziehen. Schnell machte sie die Tür hinter sich zu und war froh, dass auf ihrem Nachttisch keine Kerze brannte. Sie war vor allem froh, allein zu sein.
Ohne auf die Knopflöcher zu achten, kämpfte sie sich aus dem alten Kleid und schob das verhasste Ding mit einem Fuß unter ihr Bett. Tante Marguerite hatte ihr ein zweites schwarzes Kleid aus ihrem Fundus mitgebracht, das sie morgen anziehen konnte. Es würde frisch sein und gut riechen.
Sie war so erhitzt, dass ihre Haut prickelte, als sie sich wusch. Immer wieder wrang sie das nasse Tuch aus und ließ das kühle Wasser über sich rinnen, bis das Handtuch auf dem Boden ganz nass war. Ein Blitz erhellte für einen kurzen Augenblick das Zimmer, und dann begann der gnädige, kühlende Regen, auf die Pflastersteine vor ihrem Fenster zu plätschern.
Die Vorhänge bauschten sich, und es regnete ins Zimmer. Josie ließ das Schiebefenster ein Stück herunter und sah den Regentropfen zu, die in kleinen Bächen an der Scheibe entlangliefen. Über dem Fluss krachte der Donner, und Josie erinnerte sich an ein Gewitter vor langer Zeit, als der Regen heftig gegen das Fenster geschlagen hatte. Da war sie noch sehr klein gewesen.
Sie und Cleo hatten vor dem Kamin mit Puppen gespielt. Der Sturm hatte an den Fenstern gerüttelt, und der Regen war nur so geströmt, aber sie hatte sich gut und sicher gefühlt, mit Papa, der in ihrer Nähe die Zeitung las, und Maman, die einen Spitzenkragen in Ordnung brachte.
Josie hatte versucht, die neue Porzellanpuppe anzuziehen, die Papa ihr zu ihrem sechsten Geburtstag aus Paris mitgebracht hatte. Cleo in ihrem Mehlsack-Kleid spielte neben ihr und zog einer der alten Puppen eine Hose an.
»Maman, die Arme sind zu dick für die Ärmel«, hatte Josie geklagt.
»Ich habe zu tun, siehst du das nicht, Josephine?«, hatte ihre Mutter geantwortet.
»Na, lass mal sehen«, hatte Papa gesagt. Er hatte die Zeitung zur Seite gelegt und Josie zwischen seine Knie gezogen. Dann hatte er der Puppe vorsichtig den samtenen Ärmel übergezogen. »Na, siehst du«, hatte er gesagt. »Wenn die Hand erst mal drin ist, dann passt der Ärmel ganz gut.« Dann hatte er Josie auf den Scheitel geküsst und seine Zeitung wieder aufgenommen.
Maman hatte Cleo angesehen, die vor dem Kamin saß. »Hast du aufgepasst, ob Cleos Hände sauber sind, bevor du ihr eine von deinen Puppen gegeben hast?«, fragte sie.
Cleo hatte den Kopf gesenkt gehalten, als hätte sie nichts gehört.
»Ja, Maman«, hatte Josie geantwortet. »Ihre Hände sind sauber.« Sie waren es nicht, aber Josie wollte nicht, dass Cleo weggeschickt wurde, es war so langweilig, allein zu spielen.
Bibi war hereingekommen und hatte den Tee gebracht. Sie hatte sich sehr langsam bewegt, ihr Bauch war so dick. Josie hatte längst begriffen, dass diese Frau, die ihr Lieder vorsang, wenn sie sie morgens anzog, die ihre blauen Flecken und aufgeschürften Knie küsste, die jede Nacht am Fuß ihres Bettes schlief – dass diese Frau sich in Gegenwart ihrer Mutter unsichtbar machte. Cleo lächelte Bibi trotzdem an, und Josie hoffte, ihre Mutter hätte es nicht gesehen.
»Tee ist
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