Das Herz des Südens
sagte sie. »Phanor.« Sie fand sich sehr kühn, ihn beim Vornamen anzureden, aber schließlich hatte er es ihr schon einmal erlaubt. Trotzdem spürte sie, wie sie rot wurde.
»Aber bitte sehr – Josephine.«
Es war sicher irgendwie nicht richtig, ihm zu erlauben, ihren Vornamen zu benutzen, dachte sie. Aber gerade eben hatte sie seinen benutzt, und es schien wirklich eine alberne Förmlichkeit, so wie sie beide aussahen, von den Knien abwärts mit Schlamm bedeckt.
»Aber«, fügte er hinzu, »Cleo nennt Sie Josie. Soll ich Sie auch Josie nennen?« Der leicht neckende Ton zeigte, er wusste ebenso gut wie sie, dass das unmöglich war. Sie wollte gerade auf Josephine bestehen, als er sich bückte und einen roten, sich windenden Wurm von ihrem Rock pflückte.
Sie musste lachen. Es war einfach lächerlich, auf Förmlichkeiten zu bestehen, wenn man einen Regenwurm auf dem Kleid hatte. »Von mir aus gern Josie. Aber«, warnte sie ihn, »wenn meine Großmutter in der Nähe ist, müssen Sie bitte weiterhin ›Mademoiselle Josephine‹ sagen.«
»Ist doch klar. Selbst mein Vater ist vorsichtig mit Madame Emmeline, obwohl sie sich schon seit ihrer Kindheit kennen.«
»Ist das so?«
»Aber sicher. Ihre Väter haben im Sumpf zusammen Alligatoren gejagt. Papa sagt, früher haben unsere Großväter große Grillabende unten am See veranstaltet, und die beiden Familien haben am Ufer zusammen gepicknickt.«
»Cajuns und Kreolen? Ich meine, meine Großmutter …«
Phanor nickte. »Ich verstehe schon. Ich werde nicht vergessen, dass Sie Mademoiselle Josephine sind.«
Josie versuchte, den peinlichen Augenblick schnell zu beenden. »Mögen Sie Opossum?«
»Delikat«, erwiderte Phanor und küsste seine Finger. »Meine Schwester macht einen Braten mit Süßkartoffeln und Äpfeln daraus. Irgendwann bringe ich Ihnen ein Opossum, und ich bin sicher, Ihre Köchin weiß, was sie damit anstellen muss.«
Für einen Augenblick verlor sich Josie in seinen braunen Augen. So wunderschöne Augen! Er hielt ihrem Blick stand und trat einen Schritt auf sie zu. Ihr Atem ging schneller. Sie waren ganz allein hier. Würde er versuchen, sie zu küssen?
Sie hob ihr Gesicht, bereit, seinen Lippen zu begegnen, seinen schönen, vollen Lippen. Sie machte einen Schritt vorwärts, aber ihre leichten Schuhe mit den glatten Ledersohlen fanden keinen Halt, und ehe sie sich’s versah, saß sie schon auf dem schlammigen Boden.
Phanor brach in Lachen aus, und genauso innig, wie sie ihn einen Augenblick vorher hatte küssen wollen, hätte sie ihn jetzt am liebsten umgebracht. Wütend starrte sie die Hand an, die er ihr reichte, um sie hochzuziehen.
Er grinste, setzte Gewehr und Sack ab und hob sie dann an beiden Armen hoch. Dabei berührte sie seinen Körper, trat aber sofort einen Schritt zurück. Hatte er durch sein Hemd ihre Brüste fühlen können?
Mit aller Würde, die sie noch aufbringen konnte, versuchte sie, ihren Rock glattzustreichen. Sie konnte ihn unmöglich ansehen. Er musste sie für eine Närrin halten, und für mannstoll obendrein. Um ein Haar hätte sie ihn geküsst!
»Bitte, Josie. Es tut mir leid, dass ich lachen musste, aber es ging alles so schnell, ich konnte einfach nicht anders.«
Sie warf ihm einen bösen Blick zu, aber er lächelte einfach zurück, und seine schwarzen Augen sahen richtiggehend fröhlich aus. »Ich bitte aufrichtig um Entschuldigung.«
Sie verschränkte die Arme und legte den Kopf schief. »Wirklich?«
»Wirklich.« Er legte eine Hand auf sein Herz und setzte ein todernstes Gesicht auf.
»Nun, dann werde ich Ihnen vielleicht vergeben – irgendwann.«
Der Augenblick der Zerknirschung war vergangen, und um seine Lippen spielte schon wieder ein Lächeln. »Und wenn ich ein Leben lang auf diesen Tag warten muss.« Er nahm sein Gewehr und seinen Sack wieder auf. »Soll ich Sie zurück zum Haus begleiten?«
»Oh, äh, nein. Das würde in der Tat sehr seltsam aussehen.« Sie blickte zurück in Richtung des Hauses, wo Papa und Grand-mère ihrem Tagwerk nachgingen und sicher waren, dass Josephine sich wie eine anständige junge Dame benahm. Und stattdessen stand sie hier im Wald, allein mit einem jungen Mann, in einem Kleid, das von oben bis unten von Schlamm bedeckt war, und ließ sich auf sündige Gedanken ein.
Das Gewicht von Sitte und Anstand senkte sich zurück auf ihre Schultern. »Nein, danke, ich glaube, ich brauche jetzt keine Hilfe mehr.«
Er tippte an seine Hutkrempe und drehte sich um. Sie war zu
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