Das Herz des Südens
durfte.
Dabei war Josie noch nie zu irgendjemandem gemein gewesen. Aber in letzter Zeit war sie manchmal komisch. Diese schreckliche Mutter war schließlich ihre Maman, dachte Cleo, und Josie vermisste sie.
Bibi kam auf die Veranda hinaus. »Wo bist du denn, Kind? Hast du vergessen, dass du den Tisch decken musst?« Bibi sah in den Hof hinunter, den sie gerade gefegt hatte. »Und was für einen Dreck du hereinschleppst!« Cleo hatte den Schlamm über den ganzen Hof verteilt. »Verdammt!«, murmelte sie.
»Na, ist egal jetzt, sieh zu, dass du raufkommst.«
Cleo zog sich die Schuhe aus und versteckte sie hinter dem Weinspalier. Madame Emmeline machte sich nichts daraus, ob Cleo barfuß oder in Schuhen herumlief, aber sie würde es nicht dulden, wenn sie ihre Pflichten vernachlässigte.
Cleo eilte die Treppen hinauf, um das Speisezimmer fürs Mittagessen vorzubereiten. Durch die offene Tür wehte Monsieur Emiles Zigarrenrauch von der vorderen Veranda durchs Haus. Sie hatte ihn die letzten paar Wochen beobachtet, seit Madame Celine gestorben war. Während der ersten paar Tage war seine Trauer tiefer gewesen, als sie erwartet hatte, aber jetzt schien er wieder ganz der Alte zu sein.
Sie nannte ihn niemals Papa, nicht einmal in ihren Gedanken, obwohl sie seit jeher wusste, dass er ihr Vater war. Als sie noch ein Kind gewesen war, hatte er immer sanft ihren Scheitel berührt, wenn er an ihr vorbeigegangen war. Er hatte ihr ebenso oft zugelächelt wie Josie. Und er hatte Maman im Arm gehalten, wenn Celine und Josie am Vormittag im Rosengarten waren.
Josie war manchmal wirklich dumm, dachte Cleo, während sie die Teller auf den Tisch stellte. Josie schien nur die Dinge zu wissen, die ihre Mutter für richtig gehalten hatte. Und nun, da Josie die Sache mit Remy herausgefunden hatte, fürchtete Cleo, dass es Ärger geben würde.
»Dabei geht es sie verdammt noch mal überhaupt nichts an«, sagte sie leise zu sich selbst. Sie faltete die letzte Serviette und schenkte Wasser in alle Trinkgläser ein. So weit, so gut, jetzt musste sie nur noch abwarten, bis Louella das Essen herüberschickte und alle versammelt waren. Sie pflückte eine Feige von dem Teller mit dem Eingemachten, ließ sie in ihren Mund fallen und leckte sich schnell die Finger ab.
Emile kam von der Veranda herein und betrat vom Salon aus das Speisezimmer, als sie gerade die zweite Feige nahm.
»Ein Glas Wein bitte, Cleo«, sagte er.
Cleo schenkte ihm ein Glas Claret ein, wohl wissend, dass Madame Emmeline ihn rügen würde, weil er so früh am Tag schon trank. Es lag am Regen, dachte Cleo. Er langweilte sich und wurde allmählich ruhelos.
»Werden Sie heute Nachmittag auf die Jagd gehen, Monsieur?«, fragte sie ihn.
»Nein, es ist ja überall so schlammig. Das Wild hat sich auf die höher gelegenen Plätze zurückgezogen.«
Cleo hörte, wie Madame sich auf der hinteren Veranda die Füße abtrat. »Cleo«, rief sie, »bring mir eine Matte, um den Schlamm abzustreifen.«
»Oui, Madame.« Wo Josie nur geblieben war? Sie hatte doch nun wirklich genug Zeit zum Umziehen gehabt, so schmutzig das Kleid auch gewesen war. Josie benahm sich in letzter Zeit sehr seltsam; sie wechselte von einem Augenblick zum anderen von Eiseskälte zu größter Herzlichkeit. Vermutlich hat sie vor, ihre Nase in meine Angelegenheiten zu stecken, dachte Cleo. Als hätte ich sie nicht mit diesem Cajun-Jungen gesehen, da oben auf dem Hügel. Und nachher kann ich wieder ihre blöden Schuhe putzen.
Als Emile Madame Emmeline an ihrem Ende der Tafel den Stuhl zurechtgerückt hatte, kam Josie ins Zimmer, angetan mit einem frischen Leinenkleid. »Bonjour, Mémère, Papa.«
Cleo trug die Suppe auf und hielt sich im Hintergrund, während das Essen begann. Madame sprach wie immer über die Geschäfte. Monsieur Johnston hatte sich inzwischen entschlossen, die Zuckerrohrschösslinge bei ihr zu kaufen, und sie hatten sich auch schon über den Preis geeinigt. Wenn dieser schreckliche Regen jetzt nur nicht die Pflanzen ruinierte!
Madame nahm ihren Löffel wieder auf. »Josie«, sagte sie. Cleo sah, wie Josie zusammenzuckte. Sie hatte Löcher in die Luft gestarrt, statt zuzuhören. Jetzt würde es wieder losgehen.
»Josephine.« Der Ton war jetzt messerscharf. »Das Schicksal dieser Plantage geht dich mehr an als jeden anderen hier am Tisch. Würdest du also bitte zuhören?«
»Tut mir leid, Mémère. Du sprachst gerade über den Regen?«
»Hast du etwas Wichtigeres im Sinn als das
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