Das Herz des Südens
Zuckerrohr, mein Fräulein?«
Wenn Josie sie wegen Remy anschwärzen wollte, dachte Cleo, dann war jetzt der richtige Augenblick.
»Im Sinn?«, fragte Josie. Cleo fing ihren Blick auf, und Josie hielt ihr Stand. »Nein, natürlich nicht, Mémère«, antwortete sie. Sie würde also nichts verraten.
»Nun denn«, fuhr Madame Emmeline fort, »dann solltest du zuhören, wenn …« Sie hielt mitten im Satz inne und starrte Cleo an, die den Suppenteller abgetragen hatte, obwohl er noch halb voll war.
»Was tust du da? Du dummes Gör, lass doch den Teller stehen!«
Cleo tauschte ein flüchtiges Lächeln mit Josie und stellte den Suppenteller wieder hin. Es war eine gute Gewohnheit, Madame Emmeline abzulenken, wenn sie sich über Josie ärgerte. Dann wurde Madame wütend auf Cleo und vergaß Josie. Cleo wusste genau, dass Josie sie vor Madame Emmeline beschützt hatte, und sie konnte sich auf diese Weise gut revanchieren.
Madame aß weiter und ging jetzt zu einem leichteren Ton über. »Nun, Josephine, ich habe Post von Monsieur Johnston bekommen. Natürlich ging es um das Zuckerrohr, aber er erwähnt auch seine Tochter – du erinnerst dich doch sicher noch an Abigail? Sie lädt dich ein, sie nächste Woche zu besuchen. Nur für einige Tage, damit ihr euch ein bisschen besser kennenlernt.«
»Oh, so bald schon, Grand-mère? Ich möchte wirklich nicht …«
»Aber natürlich möchtest du, Josephine. Es wird dir guttun, eine neue Freundin zu finden. Und nachdem die Schneiderin endlich mit deinen Trauerkleidern fertig ist, hast du wirklich keine Entschuldigung mehr, hier herumzusitzen und zu schmollen. Du solltest wirklich mehr Zeit mit anderen jungen Leuten verbringen.«
Cleo wusste, Josie würde es als Nächstes bei Emile versuchen, aber das würde ihr nichts nützen.
»Papa braucht mich doch hier«, sagte Josie.
Emile bewunderte die Farbe seines Weins. »Ich denke, deine Großmutter betraut dich in diesem Fall mit einer geschäftlichen Mission, Josephine.« Er stellte das Glas hin. »Damit ein Teil des beträchtlichen Vermögens der Johnstons in unseren Taschen landet, möchte sie, dass du dich mit dem Mädchen anfreundest, die Familie bezauberst, und – korrigiere mich, wenn ich mich irre, Maman – auch die Aufmerksamkeit des Sohns für dich gewinnst. Das ist schließlich nicht zu viel verlangt. Habe ich dich richtig verstanden, Maman?«
»Emile, du bist unmöglich. Du weißt genau, wie derartige Geschäfte vor sich gehen, und du selbst rührst keinen Finger, um dich mit Monsieur Johnston oder seinem Sohn anzufreunden. Sie wünschen sich Verbindungen zu uns Kreolen, und du lässt diese gute Gelegenheit ungenutzt …«
»Ich werde sie besuchen, Papa.«
Cleo hatte gewusst, dass es so enden würde. Josie tat alles, um die alte Madame daran zu hindern, an Emile herumzukritteln. Im Übrigen hatte die alte Dame recht: So liefen derartige Geschäfte. Nur hatte Emile keinerlei Händchen für Geschäfte, er hatte seine Bücher und die Jagd, und das war alles.
Cleo beobachtete schon seit langer Zeit, dass Emile einen erheblichen Teil seiner Tage damit zubrachte, nichts zu tun. Er saß auf der Veranda im Schaukelstuhl, rauchte seine Zigarre, beobachtete den Mississippi, der langsam vorbeiströmte. Solange er morgens auf die Jagd gegen konnte, war er für den Rest des Tages zufrieden. Nach dem Abendessen pflegte er zu lesen, wenn er nicht mit irgendwelchen Freunden Karten spielte.
Auch Josie saß oft einfach da und starrte aus dem Fenster; in dieser Hinsicht ähnelte sie ihrem Vater, wie auch im Hinblick auf das Desinteresse an der Plantage. Madame war ein harter Knochen, dachte Cleo, aber sie hielt die Plantage am Laufen. »Ich werde die Johnstons besuchen, Grand-mère«, sagte Josie.
»Natürlich wirst du das. Und du wirst es genießen, warte nur ab. Wie schön, dass du für diese Gelegenheit eine neue Garderobe hast«, sagte Emmeline.
Eine Garderobe ganz in Schwarz, dachte Cleo. Und Josie sah in Schwarz einfach fürchterlich aus.
Cleo servierte das Gemüse und ließ bei den geschmorten Okraschoten Josies Teller aus. Madame konnte es nicht ertragen, wenn am Essen herumgemäkelt wurde, also musste Josie ihren Teller leer essen, obwohl sie die schleimigen Okraschoten hasste wie die Pest.
Emile hob sein Glas und trank Josie zu. »Du bist ein Engel, Josephine, und im Übrigen finde ich auch, dass du mal aus diesem traurigen, nassen Haus herauskommen solltest. Geh nur, Liebes, und genieß die Zeit.« Dann trank er
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