Das Herz des Südens
dass die Américains ihre Häuser weiß anstreichen?«, fragte sie ihn.
»Ja, das habe ich schon gesehen. Unser Haus ist wohl früher mal gelb gewesen wie dieses hier. Aber jetzt sieht es eher grau aus.« Er zog die Schultern hoch. »Da unten im Sumpf sieht es ja sowieso keiner.«
Cleo ließ gemütlich die Beine baumeln, als Phanor plötzlich ihre Hand berührte.
»Ich glaube, ich habe dich mit jemandem gesehen«, sagte er.
Cleo tat vollkommen ahnungslos. »Ich weiß gar nicht, wovon du redest.«
Er hob die schwarzen Augenbrauen. »Bist du sicher? Ich glaube, ich habe dich mit diesem Remy gesehen.«
»Du kennst Remy?«
»Ja, klar kenne ich Remy. Er und ein paar andere Jungen, sie sind immer unten bei uns und jagen Opossums und Waschbären. Wir hören sie, wenn sie nachts nach den Hunden rufen, und manchmal gehen wir sogar mit. Wir haben Gewehre, und sie haben die Hunde, auf diese Weise machen wir jede Menge Beute.«
Phanor zögerte einen Moment. »Wo ist eigentlich deine Mademoiselle?«, fragte er dann.
Ha, dachte Cleo. Er wusste von Remy, aber sie hatte ihn auch mit Josie gesehen. Mit singendem Tonfall sprach sie weiter. »Was willst du denn von Mademoiselle Josephine?« Dann sah sie ihn von der Seite an, und er lächelte ein wenig ungeschickt. »Sie ist diese Woche zu Besuch bei den Américains ein Stück den Fluss runter.«
Er sah zum Haus hinüber, als könnte er sie trotzdem irgendwo dort finden, dann sah er Cleo mit gespielter anklagender Miene an. »Und du sitzt hier faul herum, während deine Mademoiselle aus dem Haus ist? Du weißt doch sicher, was man über faule Hände sagt.«
»Ich habe noch viel Arbeit«, verteidigte Cleo sich. »Aber du hast schon recht, ich habe jetzt etwas mehr Zeit für mich, zum Beispiel fürs Klavierspielen.«
»Du spielst Klavier? Willst du mir nicht mal was vorspielen? Ich bleibe hier auf dem Wagen sitzen und höre dir zu. Und irgendwann kommst du mal mit mir den Fluss runter, und dann spiele ich dir was auf der Geige vor.«
»Ach ja«, sagte Cleo. »Sobald ich dir diese Hühner verkauft habe.«
Am nächsten Morgen weckte die Spottdrossel Cleo, als wollte sie die Rückkehr des schönen Wetters feiern. Cleo reckte und streckte sich genüsslich und kuschelte sich noch einmal in die weichen Decken. Josies Decken. Bibi hatte anderswo geschlafen, Cleo konnte sich schon denken, wo, und so war sie in Josies hohes Bett mit den weichen, weißen Laken und dem Federkissen geschlüpft.
Louellas »Putputput« für die Hühner war aus dem Hof zu hören. Cleo schob das Moskitonetz zur Seite. Wenn Louella die Hühner fertig gefüttert hatte, würde sie anfangen, Frühstück zu machen, und dann musste Cleo bei ihr sein, Kaffeebohnen mahlen und Wasser holen, während Louella das Feuer anschürte. Sie spritzte sich Wasser ins Gesicht und zog sich das blaue, weitervererbte Kleid über den Kopf.
Nach dem Frühstück machte sie eilig die Betten und leerte die Nachttöpfe. Sie fegte das Speisezimmer und holte frische Schnittblumen für den Esstisch.
Von der vorderen Veranda aus hielt sie Ausschau nach Phanor. Madame brauchte nicht unbedingt zu wissen, dass er schon wieder da war. Sie nahm ihren Flickkorb an einen Platz mit, von wo aus sie das Flussufer überblicken konnte, und tatsächlich, da kam er schon auf seinem Maultier herangeritten.
Cleo vergewisserte sich, dass Madame und Mr Gale noch in ihrer Besprechung waren, dann zog sie ein Paar von Josies alten Pantinen an, um ihre eigenen Schuhe vor dem Schlamm zu schützen, und stapfte zum Deich hinauf, wo Phanor wartete.
Grinsend betrachtete er die dicken Sohlen unter Cleos Schuhen. »Wenn du in diesen Dingern läufst, siehst du aus, als hättest du ein Schwein zwischen den Knien.«
»Das ist gemein!«, lachte sie.
Sie suchten sich einen umgestürzten Baum auf dem Deich ein Stück den Fluss hinunter, wo es nach eineinhalb Tagen Sonnenschein einigermaßen trocken war, und setzten sich nieder, um zu plaudern. Phanor band das Maultier im Schatten an, damit es grasen und über die Geheimnisse der Maultiere nachdenken konnte.
Während er seine Geige stimmte, zog Cleo die Pantinen und die Schuhe aus und setzte sich bequem hin. Am Tag zuvor, nachdem sie ihm die Hühner verkauft hatte, hatte sie ihm ein paar von ihren besten Stücken auf dem Klavier vorgespielt, und dann war sie ans Balkongitter getreten. Phanor hatte seine Hände zu einem stummen Applaus gehoben, und sie hatte sich schon bald verziehen, dass sie stolz darauf war.
Nun
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