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Das Herz des Südens

Das Herz des Südens

Titel: Das Herz des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gretchen Craig
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auf dem Deich mit ihr und Phanor zusammentreffen.
    Im Garten atmete sie die wunderbar reichen Düfte ein. Der Rosenduft schwebte förmlich über der schwereren Luft mit dem Geruch nach schwarzer Erde und Dung. Sie schnitt einen Strauß frischer roter Blüten ab und stellte sich vor, wie es sich anfühlen würde, wenn sie von Kopf bis Fuß mit Rosen bedeckt wäre. Sie würde ein dunkelblaues Kleid tragen, beschloss sie, und das Haar auf der einen Seite hochstecken, während es auf der anderen Seite lose herabfallen würde. Sie würde Rouge auf Wangen und Lippen auftragen, so rot wie die Rosen. Sie würde singen und Klavier spielen, in einem Zimmer voller feiner Damen und Herren, und sie alle würden ihre Schönheit bewundern und ihrem Talent zujubeln.
    Vor sich hin summend, ging Cleo mit ihren Rosen in der Hand die Stufen zur hinteren Veranda hinauf und hörte zuerst das Grollen gar nicht, das aus dem Norden der Plantage kam. Dann sah sie nach links, und das ferne Glitzern von Wasser ließ sie stutzen. Dort konnte überhaupt kein Wasser sein, westlich des Flusses. In den wenigen Augenblicken, die sie brauchte, um zu begreifen, was dort geschah, war das Grollen zu einem brüllenden Donner angeschwollen.
    Cleo konnte ihre eigene Stimme kaum hören. Sie versuchte noch einmal, zu rufen: »Maman! Maman! Madame Emmeline!«
    Bibi kam aus dem Speisezimmer und verzog das Gesicht. »Was schreist du denn so, Cleo?« Dann blieb sie lauschend stehen. »Was ist denn das für ein Geräusch?«
    »Der Fluss! Madame Emmeline!« Cleo eilte durch das Speisezimmer zu Madames Büro und riss die Tür auf.
    Emmeline schob Cleo aus dem Weg und rannte zur Veranda, um zu sehen, was vor sich ging. Die kleine Sklavin Laurie war ihr dicht auf den Fersen.
    Der Strom suchte sich den leichtesten Weg, folgte dem tief gelegenen Boden westlich des Herrenhauses und bewegte sich auf die Sklavenunterkünfte zu. Das Haus stand inzwischen tatsächlich wie auf einer Insel, den richtigen Fluss im Osten und diesen neuen Mississippi im Westen. Cleo und Madame standen da wie gelähmt, sahen entwurzelte Bäume, eine Latrine, eine Kuh, die hundert Meter weiter an ihnen vorbeitrieb.
    Bibi eilte die Treppen hinunter.
    »Bibi, komm sofort zurück!«, rief Madame hinter ihr her.
    »Maman!«, schrie Cleo.
    Aber Bibi hörte auf keine von beiden, sondern lief zum Pecanwäldchen, zu den Hütten, dem Strom entgegen. »Thibault!«, rief sie, so laut sie konnte.
    »Maman!« Cleo wollte ihr nachlaufen, aber Emmeline schnappte sie am Kragen. Cleo riss sich los, aber die kleine Laurie hielt sie an den Knien fest, sodass sie zu Boden ging. »Lass mich los!«, fauchte Cleo und schlug nach Laurie, die sie festhielt. »Maman!«, kreischte sie.
    Emmeline warf sich über Cleo. »Du kannst sie nicht retten!« Cleo wand sich, aber Emmeline war größer und schwerer als sie und außerdem stärker, als es den Anschein hatte.
    Endlich ließ Laurie Cleos Beine los. Schweigend deutete sie mit einem Finger auf das Pecanwäldchen.
    Erschrocken und wie betäubt von dem Lärm, schnappten sie nach Luft, als sie sahen, wie das Wasser durch die Unterkünfte raste. Bibi konnten sie nicht mehr ausmachen. Die Pecanbäume standen noch, aber die Hütten zerbrachen unter dem wütenden Ansturm des Wassers wie Streichholzschachteln.
    Vom tiefsten Teil her drang der Strom jetzt bis zu Louellas Küchenhaus vor, dann zu den Ziegelpfeilern, die die Veranda stützten, auf der Cleo, Madame und Laurie aneinandergedrängt standen, unfähig, ihre Blicke abzuwenden.
    Das Brüllen der Flut übertönte alle anderen Geräusche. Cleo konnte einige Menschen sehen, die im Wasser zappelten, aber sie konnte ihre Schreie nicht hören. Sie zitterte vor Angst und Kälte, während sie sah, wie die braune Brühe die gesamte Plantage überflutete.
    Cleo, Madame Emmeline und Laurie drängten sich immer enger zusammen und zogen sich vorsichtig vom Geländer der Veranda zurück. Sie fürchteten sich viel zu sehr, als dass sie sich in die Schaukelstühle gesetzt hätten. Stattdessen kauerten sie dicht an der Wand, die Beine verschränkt. Emmeline griff mit ihrer linken Hand nach Cleos und drückte die Hand von Laurie mit der rechten.
    Sie konnten die Augen immer noch nicht von dem Verhängnis abwenden, das sich unter ihnen ausbreitete. Das Küchen-haus hielt den Fluten stand, und sie wussten, dass Louella darin noch lebte, denn sie hörten sie singen: ein Lied an den Herrn im Himmel mit der flehentlichen Bitte um Rettung. Auf dem

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