Das Herz des Südens
getan, mit der gleichen einfachen, freundlichen Art?
Als man sich erhob, um zum Essen zu gehen, bemerkte Josie, dass sie nach dem Sturz doch etwas steifbeinig ging. Albany bot ihr einen Augenblick zu früh seinen Arm an, und Bertrand reichte seinen Abigail, ein amüsiertes Lächeln im Gesicht.
Bei den eingemachten Erdbeeren mit Sahne fragte Abigail: »Wie ist denn eigentlich das genaue Verwandtschaftsverhältnis zwischen Ihnen und Josephine, Mr Chamard?«
Bertrand legte seinen Löffel nieder und überlegte. »Oh, wissen Sie, bei uns Kreolen ist das meistens recht kompliziert, Miss Johnston. Wir neigen dazu, viele Kinder zu bekommen, und am Ende bezeichnen wir jeden Menschen mit einem bisschen Familienblut als einen nahen Verwandten. Josephine und ich, warten Sie, da muss ich nachdenken.«
Er wandte sich an Josephine. »Deine Mutter Celine war die zweitjüngste Tochter von René und Marie-Louise, nicht wahr?« Josephine nickte. Bertrand dachte wieder einen Moment nach. »Dann ist sie eine Cousine zweiten Grades.« Josie blickte auf und sah, dass er ihr zuzwinkerte. »Und wenn ich Wetten annehmen würde – und gelegentlich tue ich das sogar –, dann würde ich wetten, dass meine Cousine und ich ein gewisses Geburtsmal gemeinsam haben.« Er blickte Abigail direkt an. »Ich will nicht indiskret sein, aber es scheint, als hätten alle Nachkommen von Grand-mère Helga dieses Zeichen, eine Art Vermächtnis ihrerseits.«
Josie drehte die Serviette auf ihrem Schoß und spürte, wie die Hitze von ihrem Gesicht bis hinunter über ihre nackten Schultern zog.
Tatsächlich hatte sie einen kleinen Streifen rötlicher Haut am untersten Teil ihres Rückens, genau wie Maman. Selbst bei ihrem kleinen Cousin Jean-Baptiste hatte sie das Muttermal schon gesehen. Aber über so etwas in Gesellschaft zu sprechen … Bertrand war roh und ungehobelt. Sie bemerkte, dass auch Abigail errötet war. Wen wollte Chamard hier eigentlich in eine peinliche Situation bringen, sie oder Abigail? Er war unerträglich.
»Oh, ich sehe schon, es ist tatsächlich so, nicht wahr, Josephine? Aber … ich fürchte, ich habe dich in Verlegenheit gebracht. Das tut mir leid.«
Die Damen erhoben sich, und Josie zeigte ihr schönstes Lächeln, als Albany ihr den Stuhl wegrückte. Sie ignorierte ihren Cousin sehr deutlich.
Nach dem Essen versammelte man sich im Musikzimmer. Das Klavier der Johnstons war ein Chickering, genau wie zu Hause, aber während die Elfenbeintasten bei ihrem Instrument inzwischen vergilbt waren, leuchteten sie bei Abigail nach wie vor in strahlendem Weiß.
»Würden Sie uns etwas vorspielen, Josephine?«, fragte Mrs Johnston.
Josie rang nach Atmen. Verlegen berührte sie die Locken über ihrem Ohr und ließ den Kopf sinken. Irgendwann war es ihr nicht mehr möglich, das Schweigen zu brechen, in dem Mrs Johnston auf ihre Antwort wartete.
Albany kam ihr zu Hilfe. »Vielleicht würdest du mit mir vierhändig spielen? Ich bin kein besonders guter Pianist, aber wenn du langsam spielst, komme ich wohl mit.«
Wie freundlich von ihm, dachte Josie. Sie rückte ihre Röcke auf der Klavierbank zurecht, und gemeinsam arbeiteten sie sich durch eine vierhändig gesetzte Sonate von Mozart. Sie verdienten keinen Schönheitspreis damit, aber sie hatten sich auch nicht blamiert.
Dankbar berührte Josie Albanys Hand, als sie von der Bank aufstanden, und er führte sie zurück zu dem blauen Damastsessel neben seiner Mutter.
Abigail spielte als Nächste, und sie spielte ausgezeichnet. Ihre Finger schienen nur so über die Tasten zu fliegen, ohne dass sie darüber nachdenken musste. Bertrand sang ein deutsches Lied mit ihr, und sie bildeten ein wunderbares Paar. Abigails blondes Haar leuchtete im Kerzenlicht, während Bertrands schwarzes Haar, das bis auf den Kragen reichte, das Licht geradezu aufzusaugen schien.
Als Abigail Josie bat, mit ihr zu singen, fühlte Josie sich schon besser. Ihre Stimme war ganz gut, und sie sang jedenfalls nicht falsch.
»Das war wunderbar, Josie«, flüsterte Albany ihr zu, als sie sich wieder setzte. Josie wusste, ihre Stimme war alles andere als wunderbar, aber sie nahm das Kompliment freundlich an, wie man es ihr beigebracht hatte. »Glaub daran, dass jedes Kompliment die reine Wahrheit ist«, hatte Maman immer wieder gesagt. »Aber bleib immer bescheiden, wenn du es annimmst.«
Mr Johnston döste in seinem Sessel, und Mrs Johnston saß verträumt da, die Stickerei im Schoß. Abigail begann mit einem neuen Stück
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