Das Herz des Südens
recht. Solange das Hochwasser nicht nachlässt, können wir nicht übersetzen. Aber ich nehme dich mit bis an die Stelle, wo man euer Haus sieht.«
»Das ist Wahnsinn, Chamard! Sie hat jetzt wirklich nichts in der Nähe des Flusses zu suchen!«
Bertrand warf ihm einen kühlen Blick zu. »Ich denke, wir werden uns schon zu helfen wissen.«
»Natürlich«, bestätigte Josie.
So ritten sie denn zu dritt auf dem Deich entlang, um den Schlamm auf der Straße am Fluss zu vermeiden. Zwölf Meilen nördlich des Johnston-Hauses zügelte Bertrand sein Pferd. »Jetzt sind wir genau gegenüber von Toulouse, Josephine. Kannst du den Anleger sehen, und die Eichenallee? Dahinter siehst du das Haus.«
Tatsächlich konnte sie die grünen Fensterläden vor der gelben Hausmauer deutlich erkennen. Der untere Teil des Hauses war ebenso wenig zu sehen wie der Wasserstand, weil der Deich auf der gegenüberliegenden Seite ihr die Sicht versperrte, aber sie sah das Obergeschoss des Hauses, und es war ganz offensichtlich unbeschädigt und trocken.
»Da sind Leute auf der Veranda!« In die Ferne konnte Josie ausgezeichnet sehen. »Seht ihr sie auch?«
Albany nickte. »Ja, da bewegt sich etwas.«
»Ihre Augen sind offenbar besser als meine«, entgegnete Bertrand. »Aber darauf kommt es jetzt auch gar nicht an, Josephine. Wichtig ist nur, das Haus steht. Es hat nicht viel von der Wucht der Strömung abbekommen. Also wird es auch deiner Familie gut gehen, und in einer Woche oder zehn Tagen kannst du sicher wieder nach Hause. Wir mieten dann am besten ein Boot, um dich rüberzubringen.«
Albany berührte ihren Ellbogen. »Einstweilen sollten Sie sich an den Gedanken gewöhnen, noch ein Weilchen bei … bei Abigail zu bleiben. Bei uns sind Sie in Sicherheit.« Er drängte sie zu ihrem Pferd. »Mein Vater hat einige Arbeiter den Fluss hinauf geschickt, um zu sehen, was zu tun ist. Die Metoyers und Cummings werden dasselbe tun.«
Auf dem Weg zurück zum Haus der Johnstons starrte Josie immer wieder hinüber zum anderen Ufer, bis der Deich eine Kurve beschrieb, sodass sie Toulouse nicht mehr sehen konnte. Was wohl aus Mamans Grab geworden war? Es lag doch wohl hoch genug auf dem Hügel, um vom Wasser verschont zu bleiben? Wenn nicht – dann war Maman womöglich weggeschwemmt worden. Josie schob die Vorstellung zur Seite und betete zur Gottesmutter, dass alle Menschen auf Toulouse überlebt hatten.
Bei den Ställen half Bertrand ihr vom Pferd. »Das ist nicht die erste Überschwemmung, die deine Großmutter erlebt«, sagte er und küsste sie sanft auf die Stirn. »Mach dir keine Sorgen.«
Ziemlich hastig nahm Albany ihren Arm und führte sie ins Haus zurück. Bei jeder anderen Gelegenheit hätte sie sich über seine besitzergreifende Art geärgert, aber jetzt bemerkte sie die Rivalität zwischen den beiden Männern kaum. Sie warf einen Blick über die Schulter zu Bertrand, als warte sie auf seine Erlaubnis, und als er nickte, ließ sie sich von Albany wegführen.
12
Toulouse
Am zweiten Tag der Überschwemmung ließ Mr Gale die Rettungsboote beim allerersten Tageslicht ausfahren. Eine Meile südlich der Unterkünfte fanden sie Ellbogen-John und seine Frau Suzette, die auf dem Dach ihres Hauses bis zum Obstgarten der Cherleus gefahren waren, wo das Dach zwischen den Pfirsichbäumen hängen geblieben war. Offenbar hatte der neue Flussarm sich auch noch durch den Besitz der Cherleus gefressen, sich dann aber wieder zum Hauptstrom bewegt.
Mr Gale übergab dem schwer erschütterten Ellbogen-John die weiteren Rettungsarbeiten und nahm zwei andere Boote mit, um gegen den Strom zu den trockenen Feldern nördlich des Hauses zu rudern. Er musste seine eigenen Leute ebenso organisieren wie die Sklaven von den Nachbarplantagen, die als Unterstützung geschickt worden waren, und er würde Werkzeuge, Balken und Maultiere brauchen. Seine vorrangige Aufgabe war es jetzt, diejenigen Felder zu sichern, die nicht zwei Meter unter Wasser standen. Schließlich war Emile Tassin immer noch nicht gefunden, und Madame hatte im Haus alle Hände voll zu tun.
Im Haupthaus versuchte Emmeline, sich einen Überblick zu verschaffen, wer von ihren Sklaven überlebt hatte und wer vermisst wurde. Die meisten hatten sich auf den sicheren Feldern oberhalb des Deichbruchs aufgehalten. Inzwischen mieden alle die vordere Veranda, wo die Toten lagen, und Cleo sorgte dafür, dass die vorderen Türen und Fenster geschlossen blieben, um den Gestank draußen zu halten.
Cleo
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