Das Herz des Südens
keine Miene, der Blick aus ihren schwarzen Augen war steinhart. Er versuchte es mit einer Ausrede.
»Dieses schwarze Mädchen versucht, zu dem Flüchtigen hineinzukommen. Sie hört einfach kein Verbot, wenn man es ihr nicht mit der Faust sagt.«
Madame sah Cleo an. »Ich habe dir gesagt, geh ins Haus«, befahl sie.
Louella tauchte hinter Madame auf, einen Eimer mit Wasser in der Hand und frische Kleider unter dem Arm. Madame sah LeBrec wieder an. »Ich würde mich jetzt gern um den Jungen kümmern, Monsieur LeBrec. Schließen Sie die Tür auf und lassen Sie mir den Schlüssel hier. Sie können jetzt wieder an Ihre Arbeit gehen.«
LeBrec gab ihr den Schlüssel und schlich davon. Remy sah Cleo nach, die zur Verandatreppe ging, die blutverschmierte Bluse klebte ihr am Rücken. Dann war Madame bei ihm und bestand darauf, dass er sich an einen Reissack lehnte und so sitzen blieb.
Sie wusch ihm selbst die Wunde aus, denn LeBrec hatte ihm das halbe Ohr weggeschnitten. Die Blutung stillte sie mit einer selbst zusammengerührten Salbe, die sie jahrelang erprobt und immer weiter verbessert hatte. Er konnte sich noch erinnern, wie er als Kind einmal schreckliche Ohrenschmerzen gehabt und seine Mutter sich so große Sorgen gemacht hatte, dass sie nach Madame Emmeline gerufen hatte. Da hatte Madame ihm warmes süßes Öl ins Ohr gegeben, und dann hatte er endlich schlafen können. Jetzt schloss er einfach die Augen und ließ alles mit sich geschehen.
Im großen Haus zog Cleo sich vorsichtig das Hemd vom Rücken und blickte über ihre Schulter in Josies Spiegel. Die Wunde war fünfzehn Zentimeter lang und sehr tief; die Peitsche hatte sie genau zwischen den Schulterblättern getroffen. Es würde eine Narbe davon zurückbleiben, das Zeichen der Sklaverei.
Cleos Hände zitterten, als sie versuchte, die Wunde auszuwaschen. Als Louella mit einer Schüssel und frischen Tüchern kam, legte sie sich auf den Boden und ließ Louella weitermachen. Sie ballte die Fäuste, als das Essigwasser in die Wunde drang, aber die Salbe, die Louella auftrug, beruhigte sie schnell wieder.
»Du darfst jetzt erst mal nichts Schweres tragen, Kind. Wenn du daran ziehst, geht die Wunde immer wieder auf. Ich bringe das Essen ins Haus, und du bleibst schön hier liegen.«
»Louella, was geschieht mit Remy?«
»Ach, Kind, diese Gesetze, da kenne ich mich nicht aus. Vielleicht ist LeBrec ja zufrieden, dass er ihm das Ohr abgeschnitten hat. Vielleicht genügt das ja.«
Cleo blieb in ihrem Zimmer und sah den Schatten zu, die ihr zeigten, wie der Tag verging. Wenn doch nur Josie hier wäre, dachte sie wohl hundert Mal. Josie würde Remy retten, sie würde nicht zulassen, dass man ihm den Fuß abhackte. Josie würde ihn beschützen, da war Cleo ganz sicher.
Thibault kam hereingeschlichen und legte sich neben sie. Sie hielt seine Hand, und sie lagen beide schweigend da.
Am Spätnachmittag hörte sie LeBrecs schwere Stiefel auf der Treppe zur Veranda. Thibault war eingeschlafen. Sie hätte jetzt eigentlich zur Tür gehen müssen, um LeBrec hereinzulassen, aber sie blieb liegen.
Madame ließ den Aufseher selbst herein und führte ihn in ihr Arbeitszimmer.
Cleo stand vorsichtig auf, um Thibault nicht zu wecken. Bei der Bewegung zog es an ihrer Wunde, und sie musste die Zähne zusammenbeißen, so weh tat es. Auf nackten Füßen tappte sie zur Tür des Arbeitszimmers und legte ihr Ohr ans Schlüsselloch.
Madame war nicht zufrieden mit LeBrec. Nicht nur, dass er ihren Besitz beschädigt hatte, er hatte auch das Leben eines ihrer Sklaven in Gefahr gebracht, indem er ihm in seinem geschwächten Zustand noch eine zusätzliche Wunde zugefügt hatte. In Zukunft würde er sich bitte mit ihr beraten, bevor er irgendwelche außergewöhnlichen Strafmaßnahmen durchführte.
Cleo atmete auf.
Madame würde nicht zulassen, dass man Remy einen Fuß abhackte. Das würde seinen Wert weiter mindern, aber Cleo wollte auch gern glauben, dass Madame um das Wohl ihrer Sklaven genauso besorgt war wie um das Wohl ihres Geldbeutels.
»Aber wir müssen etwas unternehmen, um den anderen Sklaven zu zeigen, was passiert, wenn man wegläuft, Madame«, gab LeBrec zu bedenken. »Sie wissen doch, wenn einer damit durchkommt, versuchen es so und so viele andere auch.«
»Ja, das ist mir klar. Natürlich muss es eine Strafe geben. Aber ich dulde keine weiteren Verstümmelungen. Und ein Sklave, der am Pfahl halb tot gepeitscht wird, nützt uns auf den Feldern überhaupt nichts. Denken
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