Das Herz des Südens
natürlich die Schiffsbetreiber, die die Plantagen am Mississippi belieferten.
Phanors Gaumen war noch unschuldig, und zu Anfang konnte er einen süßen und einen trockenen Weißwein kaum voneinander unterscheiden. Aber wenn er sich in den verschiedenen Restaurants und Clubs mit seinen Kunden traf, wollten diese unweigerlich mit ihm über das Bukett, den Körper und den Abgang des Weins diskutieren. Phanor hatte das Gefühl, sie würden eine fremde Sprache sprechen, und er war wild entschlossen, seine Unwissenheit zu überwinden.
In dem berühmten Restaurant Les Trois Frères in der Rue Dauphine freundete er sich mit Jean Paul Rouquier an, dem Sommelier. Jean Paul liebte seinen Wein, und er liebte es ebenso, darüber zu sprechen.
»Jetzt pass auf, Phanor. Dieser Wein ist sehr blass.«
»Blass?«
»Ja, wie ein goldener Schimmer. Bevor wir auch nur das Bukett einatmen, wissen wir, wir können einen reiferen, volleren Geschmack erwarten. Je tiefer die Farbe des Weißweins ist, desto älter ist er. Und nun, mein Freund, beweg vorsichtig dein Glas, etwa so.«
Phanor ließ den Wein in dem feinen Kristallglas kreisen, wie Jean Paul es ihm zeigte. Dann nahm er einen kleinen Schluck.
»Nein, nein! Noch nicht! Nichts überstürzen! Das ist doch kein junger Wein, den man so runterkippt, wenn man Wurst und Reis isst. Also, jetzt atmest du das Bukett ein.« Jean Paul schloss die Augen und atmete ein. »Ah. Sag mir, Phanor, was riechst du?«
»Blumen«, entgegnete er.
»Sehr gut, Phanor«, lobte Jean Paul. »Und jetzt werden wir das Aroma im Mund probieren. Nimm nur einen winzigen Schluck, genau so. Und nun spitz ein bisschen die Lippen, so. Atme ein wenig Luft über deine Zunge und lass den Wein in deinem Mund kreisen.«
Nach einigen Wochen intensiver Schulung meinte Jean Paul: »Jetzt wirst du bald ein echter Connaisseur sein, mein Freund, und dann wirst du mir meine Stellung streitig machen.«
Phanor erhob sein Glas in Jean Pauls Richtung. »Du hast von mir nichts zu befürchten. Ich bin nur ein ungehobelter Cajun vom Land, und mehr werde ich auch niemals sein. Aber ich danke dir, dass du mir ein kleines bisschen feine Lebensart beigebracht hast. Auf deine Gesundheit!«
In diesen ersten Monaten in New Orleans genoss Phanor das bunte Treiben in der Stadt, wo an jeder Ecke neue Blickrichtungen und Töne zu erleben waren. Er war sich bewusst, dass dieses neue Leben eine Menge neuer Möglichkeiten bot. Er würde sein Leben nicht als armer Mann irgendwo am Rand der Sümpfe verbringen müssen, er lebte jetzt in New Orleans und war ein Mann von Wohlstand und Geschmack. Mit seinem ersten Lohn, mehr Geld, als er oder sein Vater jemals auf einem Haufen gesehen hatte, kaufte er ballenweise Baumwolle, die er seiner Schwester schickte. Sie würde daraus Kleider für sich und den kleinen Nicholas machen. Für seinen Vater und seinen Schwager kaufte er Tabak und Pfeifen aus poliertem Holz.
Dann begann er, an sein eigenes Aussehen zu denken. Fast jeden Tag traf er mit respektablen Kaufleuten zusammen, und er musste etwas tun, damit er nicht mehr so grob aussah. So kam es, dass er, als er Josie und die Américains im Park traf, ein feines flaschengrünes Jackett und Kniebundhosen trug. Sein Hut war mit einem grünen Band verziert, und seine schwarzen Stiefel blitzten.
Er war gar nicht überrascht gewesen, Josie auf dem Jack-son Square zu sehen. Schon seit Wochen hatte er ständig überall nach ihr Ausschau gehalten, als er erfahren hatte, dass sie in New Orleans war. Phanors Schwester Lalie konnte ein wenig lesen und schreiben, und sie hatte ihm einen Brief geschickt. Nicholas hatte laufen gelernt, Papa hatte Rheuma, und die Nachbarn auf Toulouse hatten fast alles wieder aufgebaut, was das Hochwasser weggeschwemmt hatte.
»Sie haben den Sklaven eingefangen, der weggelaufen war«, schrieb sie. »Du kennst ihn.« Schade, Remy, dachte Phanor. Ich hoffe, sie sind nicht zu grausam zu dir.
»Oh, und Mademoiselle Josephine«, fuhr Lalie fort, »ist in New Orleans. Sie wohnt bei der Schwester ihrer Mutter.«
Als er den Brief bekommen hatte, war ihm ständig durch den Kopf gegangen, dass er sie jetzt wohl bald einmal zu Gesicht bekommen würde. Sie würde spazieren gehen oder in einer Kutsche fahren. Und sie würde sehr gut aussehen in ihren stadtfeinen Kleidern. Und natürlich würde sie sich freuen, ihn zu treffen. Schließlich sah er ja auch selbst sehr gut aus in seinem neuen Hut und Mantel.
An dem Tag, als er sie endlich auf dem
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