Das Herz des Südens
die Szene auf dem Feld. »Er sagt, er weiß, wie er es abkriegt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie er es ohne die Hilfe des Schmiedes schaffen will. Und der kann das Risiko nicht eingehen. Jedenfalls sagt er das.« Sie sah Phanor an. »LeBrec liebt die Peitsche.«
Phanor verzog das Gesicht, als er sah, wie Remy sich vorbeugte und stolperte, weil der schwere Käfig ihn nach vorn zog.
So etwas sollte kein Mann erdulden müssen. Niemand.
Phanor betrachtete LeBrec, der lässig über die Schulter seines Pferdes ausspuckte. Der Mann war kräftig gebaut. Wahrscheinlich hatte er ziemlich kurze Beine, aber selbst aus dieser Entfernung konnte man sehen, wie kräftig seine Oberschenkelmuskeln waren. Kleine Männer waren oft die schlimmsten, hatte sein Vater immer gesagt. Als hätte Gott sie benachteiligt und sie müssten nun alle anderen Geschöpfe Gottes dafür bestrafen. Selbst die Sklaven. Nein, verbesserte sich Phanor, vor allem die Sklaven.
»Ich denke darüber nach«, sagte er zu Cleo.
23
Im Hinterland
Aus den Fenstern des kleinen grauen Hauses drang gelbliches Licht, als Phanor den Weg zwischen den bemoosten Tupelos hinaufging. Der Nebel stieg vom Sumpfland auf, und sein Elternhaus schien förmlich darüber zu schweben.
Die verwitterten Dielen der Veranda waren verzogen, und an einem Ende hing der Boden durch. An einer Stelle drang Licht durch das Dach, wo während des Winters eine Schindel heruntergefallen war. Früher, bevor die Lungenentzündung sie hinweggerafft hatte, hätte seine Mutter jetzt einen großen Topf mit Bohnen und Reis auf dem Herd gehabt. Das alles war so lange her, und Phanor fragte sich, warum er nie bemerkt hatte, wie schäbig das Haus war.
Aber aus dem Schornstein kam der Duft von gebratenem Speck, und man hörte einige Töne von Papas Dulcimer herüberwehen, und darüber war der kleine Nicholas zu vernehmen, der kreischte und lachte. Phanor eilte zum Haus, um sich in die Arme seiner Familie zu werfen.
Die folgenden Tage waren angefüllt mit Musik, Gesang und Geschichten. Phanor saß mit seinem Vater und seinem Schwager bis weit in die Nacht zusammen; sie redeten und tranken Papas Schnapsvorräte leer. Phanor hatte zwei Flaschen guten Burgunder mitgebracht, aber sein Vater hatte gesagt: »Ist ja wirklich ein feiner Stoff, mein Sohn, aber um ehrlich zu sein, mein Zeug ist einfach stärker.«
Phanor trug seinen kleinen Neffen Nicholas auf den Schultern herum, zeigte ihm den hohlen Baum, in dem die Bienen lebten, und brachte ihn zu seiner Mutter zurück, wenn er anfing, streng zu riechen oder zu quengeln. In der Abenddämmerung nahmen Louis und Phanor das Boot und jagten Frösche. Es war wunderbar, wieder zu Hause zu sein.
Aber es dauerte nicht lange, dann wurde er unruhig. Er vermisste die Betriebsamkeit der Stadt.
Während die Tage vergingen, dachte Phanor an Remy. Es war gefährlich, einem Sklaven zur Flucht zu verhelfen. Das wurde als schwerer Diebstahl bestraft. Und Phanor war abhängig von Madame Tassins Wohlwollen, wenn er seinen gerade erst begonnenen Weg in die Zukunft fortsetzen wollte.
Aber dieser Käfig musste weg.
Papa würde seine alte Freundin Madame Emmeline nicht verärgern wollen. Sie waren nicht wirklich gleichgestellt, aber irgendwie waren sie doch Freunde geworden, einfach weil ihre Familien seit drei Generationen miteinander verbunden waren. Phanor wollte seinen Vater nicht in eine Situation bringen, wo er lügen musste. Er war sowieso nicht besonders gut im Lügen. Aber Louis konnte ihm vielleicht helfen.
Louis war Remy nichts schuldig, und Phanor konnte sich nicht erinnern, von ihm jemals ein Wort gegen die Sklaverei gehört zu haben. Aber sein Schwager war ein anständiger Mann, und er musste einsehen, dass seine Hilfe nicht schlimmer war als ein Fischzug im Teich eines Nachbarn oder ein kleiner Austausch im Holzvorrat.
Als Phanor auf einer ihrer Bootstouren Louis von Remy erzählte, kamen die erwarteten Gegenargumente: Remy gehörte Madame Tassin,und Phanor musste vor allem an sich selbst denken. »Was mischst du dich da ein?«, fragte Louis. »Er gehört Madame Tassin, und er geht dich überhaupt nichts an.«
»Kann schon sein.«
»Ja sicher, Phanor, dieser Sklave ist wirklich nicht dein Problem.« – »Wenn du gesehen hättest, was sie mit ihm gemacht haben, Louis! Und Cleo will doch ihre Kinder in Freiheit bekommen. Kannst du dich noch an Cleo erinnern?«
»Natürlich kenne ich Cleo. Wir haben ihre Maman und ihren Papa gefunden, als das
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