Das Herz des Südens
aufjaulen, dann war alles still. Gütige Mutter, er hatte doch wohl nicht den Hund umgebracht?
Cleo schloss die Tür zu Josies Zimmer hinter sich und sackte auf dem Boden zusammen. Sie weinte nicht, was sollte das schon nützen? Sie machte sich nur Sorgen, was Remy tun würde, wenn er herausfand, was geschehen war. Er würde auf LeBrec losgehen, und dann würde der Aufseher ihn ganz bestimmt umbringen.
Sie musste dafür sorgen, dass Remy nichts davon erfuhr. Aber sie konnte Louella, Thibault und Ellbogen-John nicht so lange aus dem Weg gehen, und die drei würden ziemlich leicht herausfinden, was ihr geschehen war. Sie musste sie bitten, in den Unterkünften nicht darüber zu reden. Und Remy konnte sie erst wieder besuchen, wenn ihr Gesicht abgeheilt war. Allmählich wurde ihr ganz kalt auf dem Boden, und sie stand auf, um eine Kerze anzuzünden. Dann goss sie Wasser aus dem Krug in die Waschschüssel und wusch ihr schmerzendes Gesicht. Das kalte Wasser brannte auf den Kratzern wie Feuer. Zwischen ihren Beinen war nur ein bisschen Blut zu sehen, aber sie wusch sich immer wieder. Dann bürstete sie sich die Blätter und den Schmutz aus den Haaren, zog sich eine von Josies weichen alten Unterhosen an und ein frisches Kleid darüber.
Sie kroch in Josies Bett und kuschelte sich in die Decke ein. Seit dem Sommer, als Josie Abigail Johnston besucht hatte, hatte sie nicht mehr dort geschlafen. Aber jetzt brauchte sie Trost, und sie fühlte sich näher bei Josie, wenn sie auf ihrem Kopfkissen schlief.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie in die Dunkelheit, bis das Tageslicht durch die Fenster kroch.
Dann stand sie auf und drehte den gläsernen Knopf der Tür zu Madame Celines Schlafzimmer. Auf der Schwelle blieb sie zögernd stehen. Die Stille hier drinnen schien noch schwerer zu wiegen. Das Zimmer roch nach Staub, und der große Spiegel war immer noch mit einer schwarzen Decke verhüllt. In dem schwachen grauen Licht schien das Himmelbett mit dem Moskitonetz über den Schatten zu schweben.
In diesem Bett war Celine Tassin gestorben. Cleo starrte die schwachen Umrisse der Kissen an. Konnte man noch eine Delle im Kissen sehen, wo der Kopf der Toten gelegen hatte?
Sie atmete tief durch und rief sich zur Ordnung. Sie durfte nicht mit dem abergläubischen Unsinn anfangen, den die anderen Sklaven von sich gaben. Die meisten von ihnen waren unwissend und dumm, und sie sahen überall Böses und alle möglichen Schrecken. Ursuline, die die Cholera inzwischen überstanden hatte, erzählte weiterhin Voodoo-Geschichten und ließ alle, die ihr zuhörten, Ausschau nach Zeichen aus der anderen Welt halten. Cleo kannte die Geschichten, aber sie wusste nur zu gut, dass sie nicht mehr waren als eben Geschichten. Alberne Geschichten. Cleo war sicher, dass Gott sich nicht mit Botschaften aufhielt, die von Hühnerfüßen und frischem Blut abhängig waren.
Sie berührte den Weihwasserkessel am Türpfosten und bekreuzigte sich, bevor sie das Zimmer betrat und leise zu Madame Celines Frisierkommode ging. Dort standen noch ein ausgetrocknetes Rougetöpfchen, ein Topf mit ranziger Gesichtscreme und eine Puderdose mit blassem Elfenbeinpuder. Die verdorbene Creme roch grauenhaft, aber die Puderdose nahm sie mit in Josies Zimmer.
Cleo hatte eine hellere Haut als jeder andere Sklave auf der Plantage, sogar noch heller als Thibault, aber natürlich war ihre Milchkaffeefarbe wesentlich dunkler als Celines helle Haut. Der Puder half überhaupt nicht, die schwarzblauen Prellungen und roten Abschürfungen zu überdecken, und ihre geschwollene Nase sah damit eher noch größer aus als vorher. Am Ende wusch sie alles wieder ab. Sie hatte keine Chance, ihr Unglück zu verbergen.
Als die Frühstückszeit gekommen war, setzte sich Madame Emmeline an den Tisch, ließ sich Kaffee einschenken und griff nach dem Milchkännchen. Sie rührte mit abwesender Miene in der Tasse, als Cleo ihr die Blutwurst servierte, die Louella herübergebracht hatte. Dann verlangte sie das Gelee. Als Cleo es neben ihr abstellte, blickte Emmeline auf.
Erschrocken legte sie beide Hände auf die Tischfläche und starrte in Cleos zerschlagenes Gesicht. Cleo schlug die Augen nieder und ertrug es, betrachtet zu werden. Was würde Madame sagen? Sie würde eine Erklärung verlangen, vielleicht würde sie sie sogar bestrafen. Dass eigentlich LeBrec Strafe verdiente, ging ihr kurz durch den Kopf, aber sie wusste, das würde nicht geschehen.
Nach einer langen Pause sprach Madame
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