Das Herz des Werwolfs (German Edition)
vielleicht nicht genug.“
Er hat recht, sagte die Stimme der Feigheit in ihr, du solltest nach Hause gehen und ihn allein seine Suche weiterführen lassen. Du bist auf diesen Ort nicht vorbereitet, und du bist nicht die Art Mädchen, die die Welt rettet.
Stattdessen sagte sie: „Da ist noch etwas. In meinem Buch bist du der Förster.“
So überrascht hatte sie ihn bisher noch nicht gesehen. „Ich?“
„Dein perfektes Ebenbild, bis zu dem Muster auf deinem Hemd. Und nicht nur du – auch deine Hütte, dieser Wald, das alles war in dem Buch … nur der Steinkreis nicht.“
Er sah sie plötzlich wild und eindringlich an. „Es gibt Gerüchte, dass auch an anderen Orten Vortexe auftauchen. Allerdings keine bestätigten.“
Sie atmete tief ein und sagte schnell: „Im hinteren Buchdeckel war innen eine Schnitzerei von einem riesigen Steinbogen zwischen zwei Klippen. Darunter verlief ein Fluss, gesäumt von Bäumen, und auf einer Seite sah man ein Wasserfall.“ Sie war gleichzeitig erschrocken und erleichtert über den Ausdruck auf seinem Gesicht. „Du weißt, wo das ist, nicht wahr?“
Er nickte und schien sich zu entspannen. „Etwa eineinhalb Tagesreisen entfernt. Höchstens zwei. Das ist der Bogen von Meriden.“ Er atmete tief aus und trat wieder nahe zu ihr. „Den Göttern sei Dank.“
Er nahm ihre Hand, hob sie und küsste die Fingerknöchel. „Und dir sei Dank, weil du dich erinnert hast.“
Aber in Wahrheit dankte er ihr nicht dafür, dass sie sich erinnerte, oder? Er erkannte vielmehr an, dass sie nicht ängstlich an ihrem Unwissen festgehalten hatte, sondern den Mut gehabt hatte zu erkennen, dass sie mehr wusste.
Sie sah zu ihren verschränkten Händen hinab. „Ich bin nicht mutig.“
„Mut hat nichts damit zu tun, furchtlos zu sein. Es geht darum, trotz der Furcht weiterzumachen.“
„Wie gesagt – nicht mutig. Ich erstarre. Ich kann nichts dagegen tun, immer, wenn es brenzlig wird … stehe ich einfach nur da.“
„Wenn Candida den Zauber kennt, mit dem man den Steinkreis entriegelt, brauchst du nicht mit mir zu kommen. Du kannst von hier aus nach Hause gehen, deine Pflicht ist erfüllt.“
Oh, es war so verlockend. Aber um welchen Preis? Wenn das alles hier echt war, dann auch die Bedrohung für seine Heimat, seine Geschwister … und für Dayn selbst. Und auch wenn die Stimme der Vernunft sie dafür eine Närrin schalt, sie fühlte sich immer noch zu ihm hingezogen, obwohl sie wusste, dass er ein Vampir war. Wenn die Chance bestand, dass sie ihm helfen konnte, wollte sie es versuchen. Also zwang sie die Stimme der Vernunft, zu schweigen, und sagte: „Am unteren Rand des Bildes waren Worte geschnitzt, die bedeuteten: ‚Hier können sie sich trennen, und jeder geht seinen Weg.‘ Selbst meine maman hat gesagt, es ist ein seltsames Ende für die Geschichte, weil der Jäger und das Mädchen ja gemeinsam gehen.“
Er nickte langsam. „Es ging nicht um die beiden – es ging um uns. Wir müssen beide dorthin gehen, um zurückzukommen – du in die Welt der Menschen und ich in die Königreiche.“
Der Gedanke sollte ihr nicht einen solchen Stich versetzen.
Sie nickte. „Ich sollte dich allerdings warnen. Ein guter Mann – mein Partner, mein Freund … ist vor einigen Monaten gestorben, weil ich zur falschen Zeit erstarrt bin. Du kannst einem Feigling wie mir nicht vertrauen, ich weiß nicht, ob ich auf dich aufpassen kann.“
Wenn er sofort mit der „Du bist doch kein Feigling“-Masche gekommen wäre, hätte sie ihm nicht zugehört, genauso wenig wie all den anderen, die diese Worte zu ihr gesagt hatten. Sie wusste, was sie war. Doch stattdessen verdunkelten sich seine Augen, und er legte die freie Hand an ihre Wange, als wollte er ihr eine Träne wegwischen, die sie nicht geweint hatte. „Süße Reda, du hast einigesdurchgemacht, nicht wahr? Mach dir keine Gedanken darüber, ob du auf mich aufpassen kannst. Ich kann auf uns beide aufpassen.“
Ihr Herz bebte bei diesem stummen Versprechen, das durch die unerbittliche Entschlossenheit in seinem Blick noch unterstrichen wurde. Er hatte bereits so viel Verantwortung zu tragen, und doch nahm er noch mehr auf sich, ihr zuliebe. Das machte ihn – Vampir oder nicht – zu einem besseren Mann als alle anderen in ihrem Leben, bis auf den Partner, den sie verloren hatte.
Dayn war auch verloren. Aber er arbeitete daran, sich finden zu lassen.
Hatte sie den ersten Schritt gemacht? Oder er? Sie konnte es nicht sagen, sie wusste nur,
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