Das Herz des Werwolfs (German Edition)
ihren eigenen lächerlichen Traditionen eingeschränkt. Das hatte sie zu ihrem Vorteil ausgenutzt, indem sie das Rudel dazu gebracht hatte, ihre Beute aufzuhalten und ihr damit Zeit zu verschaffen, durch die Steine zurückzukehren, das Buch der Ilth zu finden und Pläne für Dayns Rückkehr zu schmieden.
Und der Plan, den sie jetzt hatte, war verdammt gut. Sie würde nicht nur mit dem Prinzen abrechnen, sondern auch der Welt ihre Macht demonstrieren. Die Gelehrten, die sie einst ausgelacht hatten, würden sich ehrfürchtig vor ihr verneigen, und der Magier … nun ja, die köstlichen Bilder, die ihr in den Sinn kamen, brachten sie zum Lächeln, und sie befeuchtete sich die Lippen mit der Zungenspitze.
„Soll ich Nachricht in die Burg schicken, damit der Biestmeister Eure Ettine bereithält?“
„Nein. Ich werde nicht Jagd auf ihn machen. Ich lasse ihn zu mir kommen.“ Die hässlichen Gerüchte und Andeutungen auf ein Kopfgeld, die sie Destin durch sein Netzwerk aus Dieben und Halsabschneidern hatte verbreiten lassen, erledigten den Prinzen vielleicht bereits für sie, oder sie hielten ihn zumindest so lange auf, bis sie bereit für ihn war.
„Ist das alles, Herrin?“
„Ja. Nein, warte.“ Sie erfreute sich an seinem zischenden Einatmen und der plötzlichen Anspannung in seiner Haltung. Aber in letzter Zeit hatte er allzu schnell aufgehört, sich zu wehren. Sein Ekel war zu einer ergebenen Akzeptanz geworden, die ihre Lust zu einem sanften Glühen verminderte. Sie hatte ein aufregendes neues Spiel mit ihm geplant, aber jetzt war nicht die Zeit dazu – sie brauchte rohe Blut-Energie und wollte nicht erst dafür arbeiten müssen. „Schick nach einem Gefangenen aus den Kerkern, einem, den niemand vermisst.“
Er atmete leise aus. „Ja, Herrin.“
Als er verschwunden war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, um den Pöbel auszusperren, der sich auf den Korridoren und in den Gemeinschaftsräumen jeder Dorfgaststätte tummelte, befreite Moragh ihre Gedanken und sah sich um. Sie überprüfte die Position der Kerzen und die Linien, die sie mit verschiedenen Pulvern und Salben um sich gemalt hatte. Als sie sich überzeugt hatte, dass sie ausreichend geschützt war, öffnete sie das Buch der Ilth und blätterte, an den Zaubern über die Reise zwischen den Welten vorbei, zum hinteren Teil, zu einer Titelseite, auf der nur ein einziges Wort stand.
Feiynd.
Dayn erreichte das Dorf Einharr spät am Nachmittag. Durch einen herannahenden Sturm war der Himmel grau und wolkenverhangen. Ein Gewitter lag in der warmen Luft, die vor Feuchtigkeit schwül war und sich auf seiner Haut seltsam anfühlte, nachdem er so lange Zeit in der relativ trockenen und kalten Welt der Wolfyn verbracht hatte. Oder vielleicht wurde das seltsame Gefühl durch die Krankheit des Landes hervorgerufen, er wusste es nicht.
Er wusste nur, dass seine Haut sich feucht und ölig anfühlte, als er durch das offenen Tor ins Innere des schweren Holzzauns trat, der das ganze Dorf umgab, und in seinem Herzen brannte eine tiefe Trauer, die er gestern noch nicht gefühlt hatte.
Er war an Straßengräben vorbeigewandert, die mit Knochen gefüllt waren. Die meisten stammten von Vieh, aber einige waren auch menschlich gewesen, und von den menschlichen Schädeln hatten auffallend viele spitze Fangzähne. Er hatte seit seiner Rückkehr nach Elden mit niemandem in Gedanken in Verbindung treten können. Zunächst hatte er geglaubt, das läge daran, dass die Magie der Wolfyn, die man ihm aufgezwungen hatte, seine reinen Gaben aus Elden verfälscht hatte. Aber der Anblick dieser Schädel weckte in ihm den Verdacht, dass er der einzige noch lebende Telepath in der Umgebung sein könnte. Und das war ein verdammt deprimierender Gedanke.
Er war an verlassenen Bauernhöfen vorbeigekommen, einige abgebrannt, andere einfach nur leer stehend, voller Anzeichen, dass man sie hastig verlassen hatte. Er wollte gern glauben, dass die Bauernfamilien in eines der anderen Königreiche geflüchtet waren, aber er hatte nicht viel Hoffnung darauf. Auf seinem Weg zum Dorf war er aneinigen kleineren Siedlungen vorbeigekommen und hatte Hinweise darauf entdeckt, dass sie noch bewohnt waren, aber diese waren so ärmlich gewesen – ein paar magere Hühner, die lustlos im Dreck kratzten, ein dürrer Hund, der mit gesenktem Kopf und angelegten Ohren in den Schatten herumschlich –, dass sein Herz von Neuem angefangen hatte zu schmerzen.
Jetzt also schlurften seine Stiefel über
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