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Das Herz des Werwolfs (German Edition)

Das Herz des Werwolfs (German Edition)

Titel: Das Herz des Werwolfs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Andersen
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gehemmt hatten. Aber das war damals gewesen, und heute war heute, und sie musste damit aufhören, sich zu fürchten. Nicht nur vor Gefahren, sondern auch vor Fehlern und vor Entscheidungen. Zu Hause hatte sie aufgehört, sich weiterzuentwickeln, und ihre Seele hatte angefangen zu verkümmern. In der Welt der Wolfyn dagegen hatte sie gelernt zu handeln, zu denken, sich zu bewegen und zu entscheiden.
    Vielleicht war es ein riesiger Fehler gewesen, sich in Dayn zu verlieben, und sie hätte beinahe den noch größeren Fehler begangen, ihm als seine Geliebte blind nach Elden zu folgen. Aber der erste Fehler hatte sie nur verletzt, nicht umgebracht, und zum zweiten würde es nicht kommen. Wenn sie ihm nach Elden folgte, dann aus eigener Entscheidung und nicht als seine Geliebte. Und wenn ihr das frische Wunden zufügte – nun, an einem gebrochenen Herzen würde sie schon nicht sterben.
    „Okay“, erklärte sie der wartenden Stimme, „ich mache es.“
    Gut.
    Der Nebel um sie herum erhob sich und hüllte sie ein. Es kribbelte an den Stellen, wo er sie berührte. Dann wurden die Bewegungen zielgerichteter, zuerst langsam, dann schneller und schneller, und sie hoffte nur, dass sie das hiernicht auch noch auf ihrem Fehlerkonto verbuchen musste. Sie atmete ein, aber ehe sie etwas sagen konnte – oder sich überlegen, was sie überhaupt sagen wollte – geriet die Welt um sie herum ins Taumeln, der Nebel wurde dunkel und Angst einflößend, und dann fand sie sich plötzlich auf einem grasbewachsenen Hügel mitten in einem dichten bedrohlichen Wald wieder.
    Dayn war nirgends zu sehen. Tatsächlich war sie vollkommen allein. Und als ihr das klar wurde, merkte sie, dass sie zum ersten Mal seit Tagen allein war.
    Sie stand einen Augenblick da und suchte in sich nach Anzeichen von Panik. Aber obwohl sie angespannt war und auf jeden Fall in Alarmbereitschaft, hatte sie keine Angst. Im Gegenteil, sie war voller Tatendrang und wollte nicht einfach dastehen und warten, dass etwas passierte.
    Geh los , sagten ihre Instinkte. Es wird schon dunkel.
    Der Himmel über ihrem Kopf war viel dunkler als in der Welt der Wolfyn, und der Kontrast ließ sie blinzeln. Auch die Bäume waren seltsam. Sie waren verdreht und sahen verkrüppelt aus, obwohl sie hoch hinaufragten und ihre Zweige sich zu einem hohen Baldachin aus matten braunen Blättern ineinander verschlangen. Das Sonnenlicht, das durch diese Blätter fiel, war schmutzig braun, und auch sie selbst fühlte sich darin seltsam schmutzig.
    „Willkommen in Elden“, sagte sie leise zu sich. „Sieht ganz anders aus, als ich dachte.“ Sowohl ihre Mutter als auch Dayn hatten die Königreiche als prächtige und fruchtbare Paradiese beschrieben, wie die Kulisse in einem Fantasy-Film. Aber vielleicht würde es besser werden, wenn sie den Wald hinter sich gelassen hatte.
    Wie Dayn ihr erzählt hatte, waren Reisen zwischen denWelten in den Königreichen unbekannt, deshalb befürchtete sie, dass die Zugangspunkte versteckt und vergessen waren.
    Vielleicht würde sie sich besser fühlen, wenn sie etwas zur Verteidigung in der Hand hielt, deshalb löste sie den Bogen von ihrem Rücken. Und starrte ihn an.
    Was vorher ein schlichter, aber praktischer handgeschnitzter Bogen gewesen war, war jetzt ein Hightech-Compound-Bogen von der Art, wie sie ihn in der Welt der Menschen bevorzugte, aber aus einem ihr unbekannten Holz gefertigt und mit einer natürlich aussehenden Faser bespannt, die genau die richtige Zugkraft hatte. Auch ihre Pfeile hatten sich verwandelt. Sie trug jetzt einen schmalen Köcher, in dem ein Dutzend perfekt ausbalancierter Schäfte steckte. An der Außenseite waren Haken, an denen sie den bespannten Bogen verstauen konnte.
    „Upgrades“, sagte sie leise zu sich selbst. „Cool.“ Noch besser war der kleine Beutel mit Gold, den sie in ihrer Tasche fand.
    Ein wenig optimistischer als noch einen Augenblick zuvor machte sie sich in die Richtung auf, in der das Licht am hellsten zu leuchten schien. Sie würde ein Dorf finden, sich dort einen Überblick über das Reich verschaffen und weiterziehen. Eins war sicher. Sie wusste, wo Dayn morgen Nacht sein würde: auf der Burginsel.
    Dayn erwachte in so vollkommener Dunkelheit, dass er geglaubt hätte, er wäre noch bewusstlos, wäre da nicht der Gestank nach Guano. Der Geruch nach Ammoniak brannte ihm in den Augen und in der Nase, und er musste die Luft anhalten, während er in seinem Rucksack nachder kleinen Handlampe aus der Welt der

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