Das Herz des Werwolfs (German Edition)
diesem Drang nur zweimal im Leben ergeben hatte und nicht vorhatte, es wieder zu tun. Teil des Versprechens an seinen Vater war gewesen, sein wahres Ich nicht zu vergessen, und das war nicht Wolfyn gewesen.
Mit rasendem Herzen beschwor er die Magie seines Blutes und ließ seine spitzen Fangzähne durchs Zahnfleisch brechen. Dann fletschte er die Zähne und brüllte den nächstgelegenen Dorfbewohner an, wie Keely gebrüllt hatte, wenn ihr Fell nicht richtig sitzen wollte.
Der Mann schrie auf und stolperte zurück, gegen den Mann hinter ihm. Sie fielen beide zu Boden, und drei weitere wichen zurück, als Dayn durch die schmale Lücke brach und auf den offenen Bereich dahinter zulief. Eine Sekunde lang glaubte er, es zu schaffen, aber dann sahen ihn die Männer am Rand der Menge kommen und schlossen ihre Reihen.
Mit einem lauten Zischen sauste ein Pfeil an den Männern vorbei und grub sich in das gegenüberliegende Gebäude. Sie schrien auf und wichen zurück, als ein zweites Geschoss dem Ersten folgte. Es zischte noch näher an ihnen vorbei, ehe es in einem Regenfass versank.
Dayn verschwendete keine Zeit auf die Frage, wer da geschossen hatte oder warum. Er senkte den Kopf undrannte, so schnell er konnte, zum nächstgelegenen Tor, das aus dem Dorf herausführte.
„Schließt das Tor!“, erhob sich hinter ihm ein Ruf, und vor ihm kletterten zwei Männer von einem klapprigen Wachturm hinunter, um zu gehorchen und das schwere Tor zu schließen, das auf schwerfälligen Rollen seitwärts fuhr.
Er würde es nicht schaffen.
Plötzlich ertönte Hufgetrappel hinter ihm, und eine vertraute Stimme rief: „Dayn!“
Und sein Herz. Blieb. Stehen.
Sein Körper wollte weiterrennen, während er über die Schulter zurücksah, aber der Rest von ihm erstarrte. Reda kam auf einem braunen Pferd mit weißer Blesse auf ihn zugaloppiert. Sie trug zum Teil noch die Kleider, in denen er sie zuletzt gesehen hatte, und zum Teil Kleidungsstücke im Stil von Elden, unter anderem eng anliegende Hosen und Stiefel, die normalerweise von der Kavallerie oder der Elite-Wache getragen wurden. Sie waren alt, aber die königlichen Farben seines eigenen Hauses leuchteten noch deutlich.
„Reda“, flüsterte er durch eine Kehle, die durch die Mischung aus Freude und Verzweiflung plötzlich wie ausgedörrt war. „Bei allen Göttern …“
Die Dorfbewohner verstreuten sich wie Blätter im Wind, als sie auf ihn zuhielt. Sie lenkte das Pferd mit ihren Schenkeln und ihrem Gewicht, während sie einen weiteren Pfeil in den eleganten Compound-Bogen einlegte und fliegen ließ. Das Geschoss blieb im Tor stecken, kaum eine Handbreit von den Männern entfernt, die sich bemühten, es zu schließen. Die zwei schrien auf, warfen einen einzigenBlick auf Reda und duckten sich in Sicherheit. Das Tor blieb halb geöffnet und unbewacht zurück.
„Festhalten!“ Reda holte Dayn ein, reichte ihm die Hand, und als er sie ergriff, benutzte sie den Schwung ihres Pferdes, um ihn hinter sich zu ziehen.
Es war ein vertrautes Manöver, das er schon hundertmal mit Nicolai durchgeführt hatte, und manchmal auch mit seinem Vater. Aber der Braune wieherte und scheute bei der plötzlichen Bewegung, er strauchelte und streckte dann seine Hinterbeine, als er zu einem panischen Galopp beschleunigte. Dayn lag ungelenk über dem Hinterteil des Pferdes und wurde mit jedem Schritt durchgeschüttelt.
„He!“ Reda wollte die Zügel straff ziehen, aber dann blickte sie zu den Dorfbewohnern zurück, überlegte es sich anders und schrie: „Halt dich gut fest!“
Dayn tat sein Bestes und hielt sich gut an den leeren Schnallen für die Bettrolle fest, die hinten an dem alten und abgegriffenen Kavallerie-Sattel hingen. Reda ritt das Aufbäumen aus und steuerte das völlig verängstigte Tier durch das Dorftor und auf die Hauptstraße hinaus, wo sie fast eine Meile galoppierten, ehe es müde wurde und erst in einen leichteren Galopp und dann in rüttelnden Trab verfiel.
Doch das Pferd war immer noch aufgebracht und unruhig und weigerte sich, stehen zu bleiben, bis Reda nichts anderes übrig blieb, als es im Kreis zu führen, damit Dayn hinabgleiten konnte. Das Tier trat aus und wich zurück, aber sie brachte es nach ein paar schnaufenden Drehungen wieder unter Kontrolle. Endlich beruhigte es sich langsam und pustete dabei weiße Schaumfetzen auf Dayn.
Der einfach nur auf der Straße stehen und starren konnte.
Auch Reda sagte kein Wort, sondern sah ihn nur mit einemkühlen Ausdruck
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