Das Herz Des Winters
nur einen Moment inne. »Die Aussicht auf Freiheit schien sie wirklich zu entsetzen. Alivia hat damit aufgehört. Jetzt behauptet sie, sie hätte es nur gesagt, weil sie Angst hatte, wieder gefangen genommen zu werden. Sie sagt, sie hasst alle Sul'dam, und sie bietet ein gutes Schauspiel, knurrt sie an und verflucht sie, aber ...« Sie schüttelte zweifelnd den Kopf. »Elayne, sie erhielt den Kragen im Alter von dreizehn oder vierzehn, sie ist sich nicht sicher, und sie ist seit vierhundert Jahren eine Damane! Und davon abgesehen, ist sie... Alivia ist beträchtlich stärker als Nynaeve!«, sprudelte sie die letzten Worte hervor. Die Kusinen sprachen ganz offen über das Alter, aber sie teilten den Widerwillen der Aes Sedai, über die Stärke in der Macht zu sprechen. »Können wir es wagen, sie freizulassen? Eine seanchanische Wilde, die den ganzen Palast zerstören könnte?« Die Kusinen teilten auch die Ansicht der Aes Sedai über die Wilden. Jedenfalls die meisten von ihnen.
Schwestern, die Nynaeve kannten, hatten gelernt, in ihrer Gegenwart vorsichtig mit diesem Wort zu sein. Sie konnte ziemlich schnippisch reagieren, wenn es in einem verächtlichen Tonfall benutzt wurde. Aber jetzt starrte sie Reanne lediglich an. Vielleicht versuchte sie, die Antwort zu finden. Elayne wusste, wie ihre Antwort lauten würde, aber das hatte nichts mit der Beanspruchung des Throns oder Andor zu tun. Es war eine Entscheidung, die Aes Sedai zu treffen hatten und die hier getroffen werden musste, und das bedeutete, dass es Nynaeves Sache war.
»Wenn ihr es nicht tut«, sagte Lan leise von der Tür her, »könnt ihr sie genauso gut den Seanchanern zurückgeben.« Die finsteren Blicke der vier Frauen, denen seine tiefe Stimme wie das Dröhnen eines Beerdigungsgongs erschienen war, brachten ihn nicht im mindesten in Verlegenheit. »Ihr werdet sie im Auge behalten müssen, aber wenn ihr sie weiterhin den Kragen tragen lasst, obwohl sie frei sein will, dann seid ihr nicht besser als sie.«
»Das ist nicht Eure Entscheidung, Behüter«, sagte Alise entschieden. Er erwiderte ihren strengen Blick mit kühlem Gleichmut und sie grunzte angeekelt und warf die Hände in die Luft. »Ihr solltet mal ernsthaft mit ihm reden, wenn Ihr mit ihm allein seid, Nynaeve.«
Der Respekt, den Nynaeve vor dieser Frau empfand, musste in diesem Moment besonders ausgeprägt sein, denn ihre Wangen röteten sich. »Glaubt nicht, ich würde es nicht hin«, sagte sie leichthin. Sie würdigte Lan keines Blickes. Schließlich gestand sie sich die hier herrschende Kälte ein, zog die Stola über die Schultern und räusperte sich. »Aber er hat Recht. Wenigstens müssen wir uns wegen der beiden anderen keine Sorgen machen. Ich bin nur überrascht, dass es so lange gedauert hat, bis sie aufhörten, die dummen Seanchanerinnen zu imitieren.«
»Da bin ich mir nicht so sicher«, seufzte Reanne. »Ihr müsst wissen, dass Kara auf der Halbinsel von Tomar so etwas wie eine Weise Frau darstellte. Sie war in ihrem Dorf sehr einflussreich. Natürlich war sie eine Wilde. Man sollte eigentlich denken, dass sie die Seanchaner gehasst hat, aber das tut sie nicht, zumindest nicht alle. Sie ist der Sul'dam, die mit ihr zusammen gefangen genommen wurde, sehr zugetan, und es liegt ihr viel daran, dass wir keiner der Sul'dam etwas antun. Lemore ist erst neunzehn, eine verwöhnte Adlige, die das Pech hatte, dass sich der Funken an genau dem Tag in ihr manifestierte, als Tanchico fiel. Sie sagt, sie hasst die Seanchaner und will sie dafür büßen lassen, was sie Tanchico angetan haben, aber sie hört genauso bereitwillig auf ihren Domäne-Namen Larie wie auf ihren richtigen Namen, und sie lächelt die Sul'dam an und lässt sich von ihnen liebkosen. Ich misstraue ihnen nicht, nicht so wie Alivia, aber ich habe meine Zweifel, ob sie sich gegenüber einer Sul'dam durchsetzen könnten. Ich glaube, wenn ihnen eine Sul'dam befiehlt, ihr zur Flucht zu verhelfen, dann werden sie es auch tun, und ich fürchte, sie würden keine große Gegenwehr leisten, wenn die Sul'dam erneut versucht, ihnen den Kragen anzulegen.«
Nachdem sie geendet hatte, legte sich Schweigen über den Raum.
Nynaeve schien in sich hineinzublicken, mit sich selbst zu ringen. Sie umklammerte ihren Zopf, dann ließ sie ihn los und verschränkte die Arme unter ihrer Brust, und die Fransen der Stola schaukelten hin und her. Sie schaute jeden an, mit Ausnahme von Lan. Ihm schenkte sie keinen Blick.
Schließlich holte sie tief
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