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Das Herz Des Winters

Das Herz Des Winters

Titel: Das Herz Des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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ausgefranste Hosen, Gewänder mit kaputten Säumen und fadenscheinige Umhänge oder auch gar keine. Das waren Flüchtlinge, die entweder vom Krieg aus ihren Häusern vertrieben worden waren oder von dem Glauben, dass der Wiedergeborene Drache sämtliche ihrer traditionellen Bande zerrissen hatte, zur Wanderschaft getrieben worden waren. Sie krümmten sich vor Kälte, ihre Gesichter waren abgehärmt und besiegt, und sie ließen sich von dem Strom der anderen um sie herum einfach mittreiben.
    Eine Frau mit stumpfem Blick und einem kleinen Kind auf der Schulter, das sie fest gepackt hielt, stolperte durch die Menge. Elayne sah ihr zu, nestelte dann eine Münze aus ihrem Geldbeutel und gab sie einer Gardistin, einer Frau mit rosigen Wangen und kaltem Blick. Tzigan behauptete, aus Ghealdan zu kommen und die Tochter eines unbedeutenden Adligen zu sein; nun, das mit Ghealdan stimmte vermutlich sogar. Als sie sich nach vorn beugte, um die Münze weiterzugeben, stolperte die Frau mit ihrem Kind einfach weiter, ohne sie überhaupt wahrzunehmen. Von dieser Sorte Leute gab es zu viele in der Stadt. Der Palast ernährte jeden Tag Tausende in Küchen, die man in der ganzen Stadt eröffnet hatte, aber zu viele von ihnen brachten nicht einmal mehr die Kraft auf, sich ihre Suppe und ihr Brot zu holen. Elayne sprach in Gedanken ein kurzes
    Gebet für Mutter und Kind, während sie die Münze wieder in dem Geldbeutel verstaute.
    »Ihr könnt nicht jeden durchfüttern«, meinte Sareitha leise.
    »In Andor dürfen Kinder nicht verhungern«, sagte Elayne, als würde sie ein Dekret verkünden. Aber sie wusste nicht, wie sie es verhindern sollte. Noch gab es genug Lebensmittel in der Stadt, aber kein Befehl konnte die Menschen zum Essen zwingen.
    Einige der Fremden waren ebenfalls auf diese Weise nach Caemlyn gelangt, Männer und Frauen, die keine Lumpen mehr trugen und auch keine heimgesuchten Gesichter mehr hatten. Was auch immer sie zur Flucht aus ihrer Heimat veranlasst hatte, sie waren zu dem Schluss gekommen, weit genug gereist zu sein, und hatten über ihre Erwerbsquelle nachgedacht, die sie oftmals zusammen mit ihren ganzen Besitztümern zurückgelassen hatten. In Caemlyn konnte jeder, der ein Handwerk beherrschte und über etwas Tatkraft verfügte, einen Bankier mit bereitwilliger Münze finden. Heutzutage ging man in der Stadt neuen Handwerkszweigen nach. Elayne hatte an diesem Morgen bereits drei Uhrmacherläden entdeckt! In ihrer unmittelbaren Sicht befanden sich zwei Geschäfte, die mundgeblasenes Glas verkauften; nördlich der Stadt hatte man fast dreißig Manufakturen erbaut. Von jetzt an würde Caemlyn Glas nicht mehr importieren, sondern exportieren. Die Stadt verfügte jetzt auch über Spitzenklöppler, produzierte Waren, die mindestens genauso gut wie die aus Lugard waren, und das war auch kein Wunder, da die meisten Hersteller von dort kamen.
    Das hellte Elaynes Laune etwas auf - die Steuern, die diese neuen Handwerksbetriebe abführten, würden helfen, auch wenn es einige Zeit dauern würde, bevor sie viel einbrachten -, doch es waren die anderen, die ihr in der Menge am deutlichsten auffielen. Ob Fremde oder Andoraner, die bewaffneten Söldner waren am einfachsten auszumachen, Männer mit harten Gesichtern und Schwertern, die selbst dann noch großspurig daherschritten, wenn die Masse ihr Tempo zu einem Kriechen verlangsamte. Die Wächter der Kaufleute waren ebenfalls bewaffnet, grobe Gesellen, die jene Männer, die ihnen den Weg versperrten, einfach zur Seite stießen, aber verglichen mit den Mietkämpfern zurückhaltend und nüchtern erschienen. Und im Großen und Ganzen weniger Narben aufzuweisen hatten. Söldner waren in der Menge verstreut wie Rosinen in einem Kuchen. Da sie auf eine so große Ansammlung zurückgreifen konnte und da es im Winter immer wenig Bedarf für ihre Dienste gab, konnte sie sich nicht vorstellen, dass sie zu teuer für sie sein würden. Es sei denn, sie würden sie Andor kosten, wie Dyelin befürchtete. Irgendwie musste sie genug Männer finden, sodass die Ausländer in der Königlichen Garde nicht die Überzahl bildeten. Und genug Geld, um sie bezahlen zu können.
    Abrupt wurde sie sich Birgitte bewusst. Sie war wütend - das war sie in letzter Zeit öfters - und kam näher. Sogar sehr wütend, und sie näherte sich rasch. Eine unheilvolle Kombination, die in Elaynes Kopf die Alarmglocken läuten ließen.
    Sofort befahl sie die Rückkehr zum Palast und zwar auf dem kürzesten Weg - den

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