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Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Augen wie Bernstein; der massige Monolith
eines Elefanten, der einen Baum aus der Erde riss.
    Wußten Sie, so hieß es im Katalog, dass
Elefanten in einer Gesellschaft leben, die unserer nicht unähnlich ist? Dass
sie in matriarchalischen Herden wandern und die Weibchen 22 Monate trächtig
sind? Dass sie über eine Entfernung von 50 Kilometern miteinander kommunizieren
können? Erleben Sie die Elefanten in ihrer natürlichen Umgebung, im Tuli
Block...
    »Was liest du da?«, fragte Ciaire mit
trunkener Stimme. Sie schielte mit zugekniffenen Augen auf den Katalog.
    »Was über Safaris«, sagte ich. »Ich
dachte, wir machen vielleicht mal eine.«
    »Ich nehm dieses blöde Herz nicht«, sagte
Ciaire, drehte sich auf die Seite und schloss wieder die Augen.
    Ich würde Ciaire von den Elefanten
erzählen, wenn sie aufwachte, nahm ich mir vor. Von einem Land, in dem Mütter
und Töchter jahrelang Seite an Seite mit ihren Tanten und Schwestern umherstreiften.
Davon, dass Elefanten entweder Rechtshänder oder Linkshänder waren. Dass sie
auch nach jahrelanger Wanderschaft wieder nach Hause zurückfanden.
    Folgendes würde ich Ciaire allerdings
nicht erzählen, niemals: dass Elefanten wissen, wenn sie bald sterben werden,
und sich dann ein Flußufer suchen. Dass Elefanten ihre Toten begraben und um
sie trauern. Dass Naturforscher schon gesehen haben, wie eine Elefantenmutter
ein totes Kalb meilenweit mit dem Rüssel trug, unwillig und unfähig, sich von
ihm zu trennen.
     
    MAGGIE
     
    Niemand wollte, dass Ian Fletcher
aussagte, ich eingeschlossen.
    Einige Tage zuvor hatte Richter Haig auf
mein Drängen hin kurzfristig eine Sondersitzung anberaumt, in der ich darum
bat, Fletcher als Sachverständigen für Religionsgeschichte auf meine
Zeugenliste zu setzen. Ich hatte schon befürchtet, Gordon Greenleaf würde einen
Herzanfall erleiden. »Ich hör wohl nicht richtig?«, sagte er schwer atmend.
»Was ist mit 26c?«
    Er meinte die Zivilprozeßordnung, wo es
in dem von ihm genannten Absatz hieß, dass Zeugen bis spätestens dreißig Tage
vor einem Prozess offengelegt werden mussten, es sei denn, das Gericht erlaube
eine Ausnahme. Ich setzte auf die Ausnahme. »Euer Ehren«, sagte ich, »wir
hatten nur zwei Wochen Vorbereitungszeit - es war uns beiden gar nicht
möglich, unsere Zeugen schon dreißig Tage vorher offenzulegen.«
    »Ich lasse nicht zu, dass Sie einen
Sachverständigen reinschmuggeln, nur weil Sie zufällig über einen gestolpert
sind«, sagte Greenleaf.
    Bundesrichter standen in dem unangenehmen
Ruf, in Verhandlungen unter ihrem Vorsitz peinlich genau darauf zu achten,
dass alles schön mit rechten Dingen zuging. Falls Richter Haig Fletcher als
Zeugen zuließ, waren weitere Komplikationen vorprogrammiert - Greenleaf würde
sein Kreuzverhör vorbereiten müssen und sehr wahrscheinlich einen Gegenexperten
engagieren wollen, was den Prozess verzögern würde ... und das durfte, wie wir
alle wußten, auf keinen Fall passieren, da die Zeit drängte. Aber - und das war
das Verrückte - Father Michael hatte recht gehabt. Ian Fletchers Buch paßte so
nahtlos in die Strategie, mit der ich Shays Fall zu gewinnen hoffte, dass es
eine Schande gewesen wäre, nicht wenigstens den Versuch zu starten, Kapital
daraus zu schlagen. Und noch besser war, dass es mir genau das Element
lieferte, das mir bislang gefehlt hatte: einen historischen Präzedenzfall.
    Ich hatte mich schon darauf eingestellt,
dass Richter Haig mir glatt ins Gesicht lachen würde, wenn ich in letzter
Minute mit einem neuen Zeugen aufwartete, doch statt dessen hatte er einen
Blick auf den Namen geworfen. »Fletcher«, hatte er gesagt und das Wort im Mund
getestet, als bestünde es aus spitzen Steinen. »Ian Fletcher?“
    »Ja, Euer Ehren.«
    »Ist das der, der mal eine Fernsehsendung
gemacht hat?“
    »Ja, genau.«
    »Ich werd verrückt«, hatte der Richter
gesagt. Die Stimme, in der er das sagte, klang nicht so, als hätte er gern ein
Autogramm von ihm, sondern eher so, als wäre Fletcher eine Katastrophe, von der
er die Augen nicht abwenden konnte.
    Die gute Nachricht war, dass ich meinen
sachverständigen Zeugen genehmigt bekam. Die schlechte Nachricht war, dass
Richter Haig ihn nicht sonderlich leiden konnte und vor allem Fletchers frühere
Inkarnation als atheistischer TV-Promi gespeichert hatte, wo ich ihn doch
eigentlich als seriösen und glaubwürdigen Historiker präsentieren wollte.
Greenleaf war stockwütend, dass er nur ein paar Tage Zeit bekommen hatte,

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