Das Herz ihrer Tochter
dass Jesus der Messias
war, weil er nicht die Kriterien für einen jüdischen Messias erfüllte. Es ist
im Grunde ganz einfach, und es steht alles bei Moses Maimonides. Ein jüdischer Moschiach wird
die Juden zurück nach Israel bringen und eine Regierung in Jerusalem errichten,
ein Zentrum der politischen Macht für die Welt, für Juden und Gojim
gleichermaßen. Er wird den Tempel wieder aufbauen und die jüdischen Gesetze
wieder zum geltenden Recht erklären. Er wird die Toten zum Leben erwecken -
alle Toten - und eine große Ära des Friedens einleiten, in der jeder an Gott
glaubt. Er wird ein Nachfahre Davids sein, ein König und Krieger, ein Richter
und ein großer Herrscher ... aber er wird auch vollkommen und zweifelsfrei menschlich sein.«
Bloom stellte mir die Tasse hin. »Wir glauben, dass in jeder Generation ein
Mensch geboren wird, der das Potenzial hat, der Moschiach zu
werden. Aber wenn das messianische Zeitalter nicht kommt und der Betreffende
stirbt, dann ist er es nicht.“
»Wie Jesus.«
»Ich persönlich habe in Jesus immer einen
großen jüdischen Patrioten gesehen. Er war ein guter Jude, der vermutlich eine
Jarmulke trug und die Tora befolgte und nie vorhatte, eine neue Religion zu
gründen. Er hasste die Römer und wollte, dass sie aus Jerusalem verschwanden.
Er wurde als politischer Aufrührer angeklagt und zum Tode verurteilt. Der
jüdische Hohepriester - Kaiphas - führte sogar den Vorsitz bei der Verhandlung,
aber den konnten die meisten Juden ohnehin nicht ausstehen, weil er ein Scherge
der Römer war.« Er blickte mich über den Rand seiner Kaffeetasse hinweg an.
»War Jesus ein guter Mensch? Ja. Ein toller Lehrer? Mit Sicherheit. Der
Messias? Keine Ahnung.«
»Viele Bibelprophezeiungen für das
messianische Zeitalter wurden doch von Jesus erfüllt -«
»Aber waren das die entscheidenden?«,
fragte Rabbi Bloom. »Nehmen wir mal an, Sie hätten mich noch nie gesehen, und
wir würden uns verabreden. Ich sage, dass ich um zehn Uhr vor der Steeplegate
Mall stehe und ein Hawaiihemd trage, dass ich lockiges rotes Haar habe und
Musik aus einem iPod höre. Um zehn Uhr kommen Sie und sehen vor der Steeplegate
Mall eine Person stehen, die ein Hawaiihemd trägt und rote Locken hat und
offenbar Musik aus einem iPod hört... aber es ist eine Frau. Würden Sie dann
immer noch denken, dass ich das bin?«
Er stand auf, um sich Kaffee nachzuschenken.
»Wissen Sie, was ich auf dem Weg hierher im Autoradio gehört habe? In Israel
wurde wieder ein Bus in die Luft gesprengt. Drei weitere junge Männer aus New
Hampshire sind im Irak gestorben. Und die Polizei hat in Manchester einen Mann
verhaftet, der seine Exfrau vor den Augen seiner Kinder erschossen hat. Wenn
Jesus das messianische Zeitalter eingeleitet hat, und in der Welt, über die da
in den Nachrichten berichtet wird, herrscht Friede und Versöhnung ... na, dann
würde ich doch lieber auf einen anderen Moschiach warten.« Er warf mir einen Blick zu. »So,
jetzt würde ich Ihnen auch gern eine Frage stellen ... wie kommt es, dass ein
katholischer Priester um acht Uhr morgens im Büro eines Rabbi auftaucht und ihn
nach dem jüdischen Messias fragt?«
Ich stand auf und schritt in dem kleinen
Raum auf und ab. »Das Buch, das Sie mir geliehen haben - es hat mich nachdenklich
gemacht.«
»Das ist doch nichts Schlechtes.«
»Shay Bourne hat Dinge gesagt, die ich
nahezu wortwörtlich gestern Nacht im Thomasevangelium gelesen habe.«
»Bourne? Er hat das Thomasevangelium
gelesen? Aber Maggie hat doch gesagt, er -«
»- hat von Religion so gut wie keine
Ahnung und auch keine nennenswerte Schulbildung.«
»Und die Gideons sind ganz bestimmt nicht
dazu übergegangen, statt der Bibel das Thomasevangelium in Hotelzimmern auszulegen«,
sagte Rabbi Bloom. »Woher sollte er -«
»Ganz genau.«
Er legte die Fingerspitzen aneinander.
»Mm.«
Ich legte das Buch, das er mir geliehen
hatte, auf seinen Schreibtisch. »Was würden Sie tun, wenn Sie auf einmal alles,
woran Sie geglaubt haben, in Zweifel ziehen?«
Rabbi Bloom beugte sich vor und blätterte
in seinem Rolodex. »Ich würde weitere Fragen stellen«, sagte er. Er notierte
etwas auf einem Post-it-Zettel und reichte ihn mir.
Ian Fletcher, las ich. 603-555-1367.
LUCIUS
In der Nacht, als Shay seinen zweiten
Krampfanfall hatte, war ich wach und damit beschäftigt, für ein weiteres Tattoo
Tinte herzustellen. Ich will mich ja nicht selbst loben, aber ich bin ziemlich
stolz auf meine selbst
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