Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition)
Dunkeln sitzt?«
Sie gingen durch die dunkle Diele zur Küche.
»Hast doch schönes elektrisches Licht. Ist doch nicht normal, die ganze Zeit so im Dunkeln zu sitzen.«
Doktor Copeland schraubte die Birne fest, die über dem Tisch hing, und plötzlich warder Raum hell erleuchtet. »Ich sitze gern im Dunkeln«, sagte er.
Die Küche war einfach und sauber. Auf einer Hälfte des Tisches lagen Bücher und Schreibzeug, auf der anderen Teller, Löffel und Gabel. Doktor Copeland saß kerzengerade mit übergeschlagenen Beinen, und auch Portia saß zunächst steif auf ihrem Stuhl. Vater und Tochter hatten viel miteinander gemein: den Mund, die Stirn und die breite, flache Nase. Nur hatte Portia anders als ihr Vater eine helle Haut.
»Mächtig heiß hier«, sagte sie. »Mir scheint, du solltest das Feuer da ausgehn lassen, wenn du nicht am Kochen bist.«
»Wenn du willst, können wir in mein Sprechzimmer hinaufgehen«, sagte Doktor Copeland.
»Ich glaube, es geht schon. Bleiben wir ruhig hier.«
Doktor Copeland rückte seine silbergefasste Brille zurecht und legte die gefalteten Hände in den Schoß. »Wie ist es dir ergangen, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben? Dir und deinem Mann – und deinem Bruder?«
Portia zog ihre Pumps aus und machte es sich bequem. »Highboy und Willie und mir geht’s prima.«
»William wohnt immer noch bei euch?«
»Natürlich«, sagte Portia. »Weißt du – wir haben unsre eigene Art zu leben und unsere eigene Ordnung. Highboy – der zahlt die Miete. Ich kauf von meinem Geld alles Essen. Und Willie kümmert sich ums Kirchengeld, die Versicherung, Licht und Wasser, und er zahlt auch, wenn wir samstags ausgehen. Wir haben unsern eignen Plan, und jeder hat dabei seine Aufgabe.«
Doktor Copeland hielt den Kopf gesenkt und zog an seinen langen Fingern, bis alle Gelenke einmal geknackt hatten. Saubere Hemdmanschetten bedeckten seine Handgelenke; seine mageren Hände wirkten heller als der Rest seines Körpers, und seine Handflächen hatten einen gelblichen Ton. Er hatte immer tadellos saubere, wenn auch etwas schrumpelige Hände, als hätte er sie zu lange eingeweicht und abgeschrubbt.
»Beinah hätt’ ich’s vergessen, ich hab dir ja was mitgebracht«, sagte Portia. »Hast du schon Abendbrot gegessen?«
Doktor Copeland befleißigte sich einer derart sorgfältigen Aussprache, dass jede Silbe von seinen mürrisch aufgeworfenen Lippen gleichsam poliert schien. »Nein, ich habe noch nicht gegessen.«
Portia machte eine Tüte auf, die sie auf den Küchentisch gelegt hatte. »Ich hab eine schöne Portion Kohl gebracht. Ich dachte, wir essen vielleicht zusammen. Und ein Stück Rippenfleisch. Das Gemüse schmeckt dann würziger. Macht dir doch nichts aus, wenn ich den Kohl mit dem Fleisch koche?«
»Nein, das macht nichts.«
»Isst du immer noch kein Fleisch?«
»Nein. Ich lebe aus sehr persönlichen Gründen vegetarisch. Es macht mir aber nichts aus, wenn du das Gemüse mit dem Fleisch kochen möchtest.«
Ohne die Schuhe anzuziehen, stellte sich Portia an den Tisch, um das Gemüse zu putzen. »Der Boden hier tut meinen Füßen ehrlich richtig gut. Stört’s dich, wenn ich so ohne die engen Pums rumlaufe?«
»Nein«, sagte Doktor Copeland. »Bleib nur so.«
»Also – dann werden wir den schönen Kohl essen, und dazu Maisplätzchen, und noch Kaffee trinken. Und ich werd mir ein paar Scheiben von dem zarten Fleisch hier schneiden und für mich braten.«
Doktor Copeland folgte Portia mit den Augen. Gemächlich lief sie auf Strümpfen hin und her, nahm die gescheuerten Töpfe von der Wand, schürte das Feuer und wusch den Sand aus dem Kohl. Einmal setzte er zum Sprechen an, schloss aber gleich wieder die Lippen »Also, du, dein Mann und dein Bruder – ihr habt euer eigenes kooperatives System«, sagte er schließlich.
»Richtig.«
Doktor Copeland zerrte an seinen Fingern und versuchte wieder mit den Gelenken zu knacken. »Und sind in eurem Plan auch Kinder vorgesehen?«
Portia sah ihren Vater nicht an. Verärgert goss sie das Kochwasser ab. »Es gibt so Dinge, die hängen ganz und gar von Gott ab«, sagte sie.
Sie sprachen nicht weiter davon. Portia setzte das Essen auf; dann saß sie schweigend da, die langen Hände schlaff zwischen den Knien hängend. Doktor Copelands Kopf war auf die Brust gesunken, als schliefe er. Er schlief aber nicht; von Zeit zu Zeit lief ein nervöses Zucken über sein Gesicht. Er holte tief Luft, und seine Züge glätteten sich wieder. Allmählich
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