Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition)
Leute, die ich kenne, sind deswegen ganz aufgeregt gewesen. Jeder, der beitritt, bekommt ein Bild vom Präsidenten mit Unterschrift. Und nach sechsMonaten sollen alle Mitglieder umsonst Uniformen kriegen. ›Allgemeines Hilfswerk für Farbige‹ heißt das – und nach zwei Monaten soll jeder ein orangefarbenes Band mit den Anfangsbuchstaben dieses Vereins bekommen. Weißt du – so wie all die anderen Buchstabensachen bei der Regierung. Er geht also mit seinem kleinen Buch von Haus zu Haus, und alle machen mit. Er schreibt ihre Namen auf und nimmt ihr Geld. Jeden Samstag hat er gesammelt. In drei Wochen hat dieser Mr. B. F. Mason so viele Leute beisammen, dass er am Samstag gar nicht mehr alle aufsuchen kann. Nun muss er Leute bezahlen, die für ihn sammeln, immer drei bis vier Blocks. Ich hab jeden Samstag früh bei uns in der Gegend gesammelt, und dafür gab’s ’nen Viertel Dollar. Natürlich hat Willie gleich sich selbst und Highboy und mich auch da eingetragen.«
»Ich habe in eurer Gegend in etlichen Häusern Bilder vom Präsidenten gesehen; ich erinnere mich auch, dass der Name Mason erwähnt wurde«, sagte Doktor Copeland. »Er war ein Betrüger?«
»Das war er«, sagte Portia. »Irgendeiner ist dahintergekommen, und dieser Mr. B. F. Mason wurde verhaftet. Sie haben rausgefunden, dass er bloß aus Atlanta war und Washington und den Präsident nicht mal von weitem gesehen hat. Das ganze Geld war versteckt oder schon ausgegeben. Willie hat sieben Dollar und fünfzig Cent einfach zum Fenster rausgeworfen.«
»Das meine ich ja mit…«, sagte Doktor Copeland erregt.
»Im Jenseits«, sagte Portia, »wird der sicher mit ’ner glühenden Ofengabel in seinen Eingeweiden aufwachen. Jetzt, wo alles vorbei ist, klingt’s wirklich ein bisschen komisch, aber damals konnten wir gar nicht darüber lachen.«
»Die Rasse der Neger lässt sich jeden Freitag freiwillig ans Kreuz schlagen«, sagte Doktor Copeland.
Portias Hände zitterten, und von ihrer Tasse tropfte Kaffee auf ihren Arm. Sie leckte ihn ab. »Wie meinst du das?«
»Ich meine, dass ich immer auf der Suche bin. Ich meine: Wenn ich nur zehn Neger finden könnte – nur zehn von meinen eigenen Leuten –, die Rückgrat, Verstand und Mut haben und bereit sind, alles, was sie besitzen, fortzugeben…«
Portia setzte die Kaffeetasse ab: »Aber wir haben doch von was ganz anderem geredet.«
»Nur vier Neger«, sagte Doktor Copeland. »Nur so viele wie Hamilton und Karl Marx und William und du. Nur vier Neger mit diesen echten Tugenden und mit Rückgrat…«
»Willie und Highboy und ich haben Rückgrat«, sagte Portia gereizt. »Diese Welt ist hart für uns, und ich finde, wir drei schlagen uns ganz gut.«
Eine Minute lang schwiegen sie. Doktor Copeland legte seine Brille auf den Tisch und drückte seine schrumpeligen Finger gegen die Augen.
»Die ganze Zeit benutzt du dieses Wort – ›Neger‹«, sagte Portia. »Das ist so ein Wort, das die Leute verletzt. Sogar das alte einfache ›Nigger‹ ist besser als dieses Wort. Höfliche Leute – ganz gleich, welcher Hautfarbe – sagen immer ›Farbige‹.«
Doktor Copeland antwortete nicht.
»Willie und ich zum Beispiel. Wir sind nicht ganz und gar schwarz. Unsere Mama war richtig hell; wir beide haben auch von den Weißen viel Blut. Und Highboy – der ist Indianer. Der hat ganz viel Indianisches in sich drin. Keiner von uns ist richtig schwarz, und das Wort, das du die ganze Zeit benutzt, das verletzt die Leute.«
»Mir geht es nicht um Ausflüchte«, sagte Doktor Copeland. »Mir geht es einzig um die Wahrheit.«
»Gut, hier hast du die Wahrheit: Alle haben Angst vor dir. Hamilton oder Buddy oder Willie oder mein Highboy; die brauchen erst ’ne ganze Menge Gin, bevor sie hier ins Haus kommen und bei dir sitzen so wie ich. Willie sagt, er weiß noch genau, dass er sich vor seinem eigenen Vater gefürchtet hat, wie er klein war.«
Doktor Copeland hustete heftig und räusperte sich.
»Jeder hat seine Gefühle – völlig egal, wer –, und keiner geht gern in ein Haus, wo er weiß, dass seine Gefühle verletzt werden. Du auch nicht. Ich hab zu viele Male gesehen, wie weiße Leute dich verletzt haben, ich weiß das.«
»Nein«, sagte Doktor Copeland. »Das hast du nie erlebt.«
»Ich weiß schon, dass Willie oder mein Highboy oder ich – dass wir alle nicht so gebildet sind. Aber Highboy und Willie sind beide gut wie Gold. Sie sind einfach nur anders wie du.«
»Ja«, sagte
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