Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition)
Doktor Copeland.
»Hamilton oder Buddy oder Willie oder ich – wir wollen gar nicht so reden wie du, wir reden wie unsre Mama und ihre Leute und die Leute vor ihnen. Du denkst dir alles mit deinem Verstand aus. Aber wir sagen die Dinge so, wie sie schon lang in unserem Herzen sind. Darum sind wir anders wie du.«
»Ja«, sagte Doktor Copeland.
»Man kann nicht einfach seine Kinder nehmen und sie so zurechtquetschen, wie man sie haben will. Egal, ob ihnen das weh tut oder nicht. Oder ob das richtig ist oder falsch. Du hast dir so viel Mühe gegeben, wie man nur kann. Aber jetzt bin ich von uns die Einzige, die dich besuchen kommt.«
Das Licht blendete Doktor Copelands Augen, und Portias Stimme war laut und schroff. Er hustete, und sein ganzes Gesicht zitterte. Er wollte die Tasse mit dem kalten Kaffee hoch nehmen, aber seine Hand konnte sie nicht halten. Tränen traten ihm in die Augen, und um sie zu verbergen, griff er nach seiner Brille.
Portia ging rasch zu ihm hinüber, als sie das merkte. Sie legte die Arme um seinen Kopf und drückte die Wange an seine Stirn. »Jetzt hab ich meinen Vater verletzt«, sagte sie leise.
»Nein«, sagte er mit harter Stimme. »Es ist töricht und primitiv, immerzu von verletzten Gefühlen zu sprechen.«
Die Tränen rollten ihm langsam über die Wangen und glitzerten im Feuerschein in allen Farben des Regenbogens. »Tut mir leid, wirklich ehrlich«, sagte Portia.
Doktor Copeland wischte sich mit seinem Taschentuch das Gesicht ab. »Ist schon gut.«
»Wir wollen nie wieder streiten. Ich kann dieses Kämpfen zwischen uns nicht ertragen. Irgendwie kommt jedes Mal, wenn wir zusammen sind, was richtig Schlechtes in uns hoch. Wir wollen nie wieder so streiten.«
»Nein«, sagte Doktor Copeland. »Wir wollen nicht mehr streiten.«
Portia schniefte einmal und wischte sich mit dem Handrücken die Nase. Ein paar Minuten blieb sie, die Arme um den Kopf ihres Vaters gelegt, so stehen. Dann wischte sie sich noch einmal übers Gesicht und ging zum Ofen hinüber, um nach dem Gemüse zu sehen.
»Gleich ist es fertig«, sagte sie fröhlich. »Jetzt mach ich die Maisplätzchen, die es dazu gibt.«
Portia ging langsam auf Strümpfen in der Küche umher, und ihr Vater folgte ihr mit den Augen. Sie schwiegen wieder eine Weile.
Durch den Tränenschleier vor seinen Augen glich Portia aufs Haar ihrer Mutter. Vor Jahren war Daisy wie sie in der Küche umhergegangen, schweigend und geschäftig. Daisy war nicht schwarz wie er – ihre Haut hatte den schönen Ton dunklen Honigs gehabt. Sie war immer sehr still und freundlich gewesen. Aber unter dieser freundlichen Sanftmut verbarg sich ein gewisser Eigensinn, und wie gewissenhaft er auch daran herumstudierte – diesen sanften Eigensinn seiner Frau hatte er nie verstanden.
Er ermahnte sie und sagte ihr alles, was er auf dem Herzen hatte, und sie blieb immer freundlich. Aber sie hörte ihm nicht zu und ging weiter ihres Weges.
Später kamen dann Hamilton, Karl Marx, William und Portia. Er hatte ein starkes Gefühl, dass sie zu großen Dingen berufen waren, und wusste sogar, was sie später einmal machen würden. Hamilton würde ein großer Gelehrter werden und Karl Marx ein Lehrer für die Neger; William sollte als Rechtsanwalt alles Unrecht bekämpfen, und Portia würde Frauen- und Kinderärztin werden.
Als sie noch klein waren, erzählte er ihnen, dass sie das Joch abwerfen müssten – das Joch der Ergebenheit und der Trägheit. Als sie ein bisschen älter waren, hämmerte er ihnen ein, es gebe keinen Gott, aber ihr Leben sei etwas Heiliges, und für jeden von ihnen gebe es das eine, wahre Ziel. Das sagte er ihnen immer wieder. Sie hielten sich möglichst weit von ihm entfernt, alle zusammen, und schauten mit ihren großen Negerkinderaugen ihre Mutter an. Und Daisy saß einfach da, ohne zuzuhören, freundlich und eigensinnig.
Da er die Bestimmung von Hamilton, Karl Marx, William und Portia genau kannte, hatte er sich auch schon mit den Details befasst. Jeden Herbst ging er mit allen vier Kindern in die Stadt und kaufte ihnen gute schwarze Schuhe und schwarze Strümpfe. Für Portia kaufte er festes schwarzes Tuch und weißes Leinen für Kragen und Aufschläge. Die Jungen bekamen schwarzen Wollstoff für ihre Hosen und feines weißes Leinen für ihre Hemden. Er wollte sie nicht in schreienden Farben oder flattrigen Stoffen sehen. Aber als sie zur Schule gingen, wünschten sie sich genau das, und Daisy sagte, sie müssten sich immer genieren,
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