Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition)
wie ich, das hässlichste Niggermädchen, das ich kenne. Sie läuft, als hätt sie ein Ei zwischen den Beinen, das sie nicht kaputtmachen will. Nicht mal richtig sauber ist sie. Und da geht Willie hin und schlitzt dem Kerl wegen der den Hals auf.«
Doktor Copeland lehnte sich an den Herd und stöhnte. Er musste husten, und sein Gesicht verzerrte sich. Er drückte sein Papiertaschentuch an den Mund; Blutflecken zeigten sich darauf. Sein dunkles Gesicht verfärbte sich blass-grünlich. »Natürlich ist Highboy gleich gekommen und hat mir alles erzählt. Verstehst du, mein Highboy hat mit den Weibern da nichts zu tun gehabt. Er hat Willie bloß Gesellschaft geleistet. Er macht sich solche Sorgen um Willie, dass er seitdem die ganze Zeit vor dem Gefängnis auf dem Bordstein sitzt.« Die Tränen liefen ihr die Wangen herab und glitzerten im Feuerschein. »Du weißt ja, wie es mit uns dreien war. Wir haben unsern eignen Plan, und bis jetzt ist auch nichts damit schiefgegangen. Nicht mal wegen Geld hat’s Ärger gegeben. Highboy zahlt die Miete, und ich kauf das Essen – und Willie sorgt für den Samstagabend. Wir waren so was wie Drillinge.«
Endlich wurde es Morgen. Die Fabriksirenen pfiffen zur ersten Schicht. Die Sonne ging auf und ließ die blanken Töpfe an der Herdwand blitzen. Lange saßen sie so da. Portia zog an ihren Ohrringen, bis die Ohrläppchen rot und wund waren. Doktor Copeland hielt noch immer den Kopf in die Hände gestützt.
»Mir scheint«, sagte Portia schließlich, »wenn wir nur recht viele weiße Leute zusammenkriegen, die Briefe schreiben wegen Willie, das könnte helfen. Ich bin schon bei Mr. Brannon gewesen. Er hat genau aufgeschrieben, was ich ihm gesagt hab. Er war in seinem Café wie jeden Abend, als es passiert ist. Da bin ich einfach hingelaufen und hab ihm alles erklärt. Ich hab den Brief mit nach Haus genommen. Ich hab ihn in die Bibel gelegt, dass er nicht verlorengeht oder schmutzig wird.«
»Was steht in dem Brief?«
»Mr. Brannon hat genauso geschrieben, wie ich ihn gebeten hab. In dem Brief steht, dass Willie drei Jahre für Mr. Brannon gearbeitet hat. Dann steht drin, dass Willie ein anständiger, ehrlicher farbiger Junge ist und bis jetzt nie Ärger gemacht hat. Dann steht drin, dass er oft Gelegenheit hat, in dem Café was wegzunehmen, was ein anderer farbiger Junge wohl gemacht hätte, und dass…«
»Pah«, sagte Doktor Copeland. »Das nützt doch alles nichts.«
»Aber wir können nicht einfach so rumsitzen und warten. Wo Willie im Gefängnis sitzt. Mein Willie, so ein lieber Junge, auch wenn er gestern Abend was Falsches getan hat. Wir können nicht einfach so rumsitzen und warten.«
»Wir werden es müssen. Es ist das Einzige, was wir tun können.«
»Also, ich mach das auf keinen Fall.«
Portia stand auf. Wie von Sinnen irrten ihre Augen umher, als suchte sie etwas. Dann ging sie schnell zur Tür.
»Warte doch«, sagte Doktor Copeland. »Wo willst du jetzt hingehen?«
»Ich muss zur Arbeit. Ich muss doch meine Stelle behalten. Ich muss doch bei Mrs. Kelly bleiben, damit ich meinen Lohn krieg.«
»Ich werde zum Gefängnis gehen«, sagte Doktor Copeland. »Vielleicht kann ich William sprechen.«
»Ich komme auf meinem Weg zur Arbeit am Gefängnis vorbei. Außerdem muss ich Highboy zur Arbeit schicken – sonst sitzt er vielleicht den ganzen Vormittag rum und macht sich Sorgen um Willie.«
Doktor Copeland zog sich hastig an und ging mit Portia in den kühlen, blauen Herbstmorgen hinaus. Im Gefängnis wurden sie grob abgefertigt. Sie konnten nur sehr wenig in Erfahrung bringen. Danach ging Doktor Copeland zu einem Rechtsanwalt, mit dem er schon früher zu tun gehabt hatte. Die nächsten Tage waren sehr lang und voller Sorgen. Nach drei Wochen kam Williams Fall zur Verhandlung. Er wurde des tätlichen Angriffs mit einer lebensgefährlichen Waffe für schuldig befunden, zu neun Monaten Zwangsarbeit verurteilt und unmittelbar darauf in ein Gefängnis im Norden des Staates überführt.
Auch jetzt trug er das eine große, wahre Ziel immer in sich; nur hatte er kaum Zeit, darüber nachzudenken. Er eilte von Haus zu Haus und wurde doch nie fertig. Morgens fuhr er sehr zeitig mit dem Auto fort, und um elf Uhr kamen die Patienten zur Sprechstunde. Nach der scharfen Herbstluft reizte ihn die stickige, abgestandene Luft im Haus zum Husten. Die Bänke in der Diele waren voll kranker Neger, die geduldig auf ihn warteten; manchmal waren sogar die Veranda und sein
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