Das Herz meines Feindes
ins Gesicht.
»Hör auf, dich wie eine Törin zu benehmen«, sagte er scharf.
»Ich bin es nicht, die sich wie ein Narr aufführt«, zischte sie schlagfertig. »Du behandelst mich wie einen Hund, den man an der Kette hält. Aber ich lasse mich nicht dermaßen an die Leine legen. Das lasse ich einfach nicht zu!«
Lilliane war blind vor Zorn. All die aufgestaute Enttäuschung der vergangenen Wochen gössen Öl ins Feuer ihrer Wut, als sie sich dem grimmigen Blick ihres Mannes stellte. Er griff sie hart bei den Schultern, und sie wusste, dass sie nie mals in der Lage wäre, ihm zu entkommen. Aber diesmal würde er sie nicht zum Schweigen bringen, schwor sie sich. Sie würde ihrem Zorn auf der Stelle Luft machen, hier im Schlosshof, wo jedes Auge und jedes Ohr sehen oder hören konnte, was zwischen Lord und Lady vor sich ging.
»Ich lege dich nicht an die Leine, Lily. Jetzt übertreibst du«, sagte er in ruhigerem Ton.
»Ha!« höhnte sie. »Und dabei darf ich Orrick noch nicht einmal zu einem Ausritt verlassen. Du übe r wachst alles, was ich tue, und versuchst ständig, meine Methoden zu verän dern. Du runzelst die Stirn und brütest den lieben langen Tag. Genauso gut könnte man mich in den Kerker werfen, wenn man bedenkt…«
»Dies ist weder der Ort noch die Zeit für einen solchen Ausbruch«, unterbrach er sie, als er versuchte, sie in die Burg zurückzugeleiten.
Aber Lilliane schüttelte seine Hand ab und sah ihm gera de ins Gesicht. »Und was ist dann der richtige Ort und die richtige Zeit?« spottete sie. »Am Abendbrottisch?«
»Versuch nicht, mich für dumm zu verkaufen.« Dann schien er über ihre Worte noch einmal nachzudenken. »Hör zu, Lily. Ich will nicht, dass du unglücklich bist. Wir können heute Abend in unserem Gemach darüber reden. Dann kannst du…«
»Mit dieser Lösung kommst du mir immer! Immer! Aber das reicht nicht.«
Corbett blickte grimmig drein. »Du solltest froh sein, so gut behandelt zu werden. Jeder andere Mann hätte dich halb zu Tode geprügelt, wenn du ihn aus dem Schloss ausgesperrt hättest. Jeder andere Mann hätte dieses Kind fortgeschickt egal, ob der Winter kalt ist oder nicht. Aber dir reicht das im mer noch nicht aus!«
Sein zorniger Ausbruch brachte Lilliane zum Schweigen. Einen Augenblick lang dachte sie über seine Worte nach, denn sie wusste, dass sie mit ihm einfach nicht streiten konnte. Was war es also, was sie sich von ihm wünschte?
»Ich will…«, begann sie mit leiser, zitternder Stimme. Dann hielt sie inne. Sie wollte, dass Orrick ein glücklicher Ort würde. Aber sie hatte keine Vorstellung, was sie dafür tun konnte. Sie wollte in Frieden mit ihm zusammenleben, und sie wollte, dass er sie in einem anderen Licht sah.
Ihre verwirrten Gedanken konnten keinen Zent i meter weitergehen. Sie schluckte hart und starrte in seine wütenden, grauen Augen. Dann drehte sie sich auf dem Absatz herum und eilte in die Burg zurück.
Lilliane ging nicht zum Abendessen hinunter. Sie löffelte die Suppe, die ihr Magda brachte, und aß pflichtbewusst das Stück weißen Käse, aber sie weigerte sich, nach unten in die Halle zu gehen. Statt dessen entließ sie die Amme und küm merte sich um das Baby. In dem Zimmer brannte ein kräftiges Feuer, denn Lilliane wollte bei dem kleinen Mädchen keine Risiken eingehen. Warm und tröstend hielt sie das Kind in den Armen und setzte sich auf einen hölzernen Stuhl vor dem Feuer.
»Weit, weit fort, mein Kind; wann wirst du mir dein Lä cheln schenken«, sang sie dem Baby leise vor. Aber der ver schleierte Blick des Kindes würde sie ebenso wenig warm an lächeln wie der durc h dringende Blick Corbetts.
Sie seufzte, als sie an ihren schwierigen Mann dachte. Sie wusste nicht mehr, was er von ihr wollte. Früher einmal hatte sie geglaubt, dass sie es wüsste. Natürlich hatte er Orrick haben wollen. Dann hatte sie geglaubt, dass sein offensichtliches Vergnügen mit ihr im Ehebett genügen würde, um sie beide zu befriedigen. Aber ihr war das nicht länger genug. Und offensichtlich reichte es auch ihm nicht. Aber was woll te er dann von ihr?
Sie beugte ihr Gesicht herunter, um die weiche Wange des Babys mit ihren Lippen zu berühren. Elyse roch nach Milch, Pfefferminzöl und Baby, und merkwürdigerweise beruhigte sie das. Als die Tür sich mit einem leichten Quietschen öffne te, sah sie nicht auf, sondern murmelte nur. »Du hättest nicht so schnell nach oben kommen müssen. Ich werde noch eine Weile bei ihr bleiben.«
»Und
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