Das Herz meines Feindes
verloren, das zwischen ihnen aufloderte.
Sie wusste nicht, wie es geschehen war, wie sie auf dem harten, winterkargen Boden zu liegen kamen, sie halb auf seinen Beinen sitzend, halb in seinen Armen liegend. »Oh, mein Liebster«, flüsterte Lilliane, als er ihren Mantel zur Sei te schob und seine warme, lange Hand an ihrer Seite entlang gleiten ließ. Er hatte erneut begonnen, sie zu küssen. Aber er zögerte, als sie das sagte. Lilliane spürte seine neuer liche Spannung, und sie öffnete die Augen. Aber der ra u chig-umnebelte Ausdruck war aus seinem Blick gewichen. Statt dessen hatten sich Corbetts Augen aufgeklart und blickten nun dunkel und mit unergründlichem Grau auf sie nieder.
»Bin ich dein Liebster?« fragte er ruhig. Aber in seiner Stimme klang ein harter, spöttischer Unterton, der Lilliane erröten ließ. Als sie nicht antwortete, wurde er noch sarkasti scher. »Und wenn ich es nicht bin, wer ist es dann?«
Bei diesen Worten versuchte Lilliane aufzustehen. »War um muss ich überhaupt jemanden lieben?« antwortete sie scharf, enttäuscht über diese plötzliche Wendung der Ereig nisse. »Du tust es jedenfalls nicht!«
»Ah, aber ich flüstere auch keine solchen Liebk o sungen vor mich hin«, antwortete er kühl und beobachtete, wie sie taumelnd auf die Füße kam.
»Nein, so etwas würdest du niemals tun.« Nicht ihr Zorn, sondern ihr Schmerz ließ Lillianes Stimme erbeben. Sie fühl te sich gedemütigt, denn ohne es zu wollen, hatte sie ihm ih re Gefühle für ihn gezeigt. Sie versuchte sich abzuwenden. Aber Corbett war zu schnell. Mit einer einzigen Bewegung seiner Hand griff er nach ihrem Rock und zwang sie auf schmä h liche Weise stehen zubleiben.
»Es ist also, wie ich dachte. Du versuchst also tatsächlich, dich vor deinen weiblichen Pflichten zu drücken.« Seine sarkastischen Worte trafen sie wie Schläge, und Lilliane fiel es immer schwerer, die Tränen zurückzuhalten. Wie konnte er in einem Augenblick so zärtlich und im nächsten so grausam sein? Wie brachte er es fertig, sie so liebevoll zu berühren und sie dann so fälschlich der Untreue zu bezich tigen?
Gefangen, wie sie durch die Masse ihrer Röcke war, hatte sie keine andere Wahl, als auf seine quälenden Worte einzu gehen. »Es gehört nicht zu meinen weiblichen Pflichten, mich mit dir im Schmutz zu wälzen!«
»Es ist deine weibliche Pflicht, deinem Gatten zu gefal len.«
»Und das tue ich offensichtlich nicht.« Dann riss sie hart an ihren Röcken und schenkte dem reißenden Geräusch der Wolle keine Beachtung, so erleichtert war sie, als sie sich aus seinem Griff befreit hatte.
Lilliane hätte sich am liebsten so schnell sie nur konnte in ein Versteck geflüchtet, wo sie sich den heißen Tränen, die in ihr aufstiegen, hätte hingeben können. Aber das hätte ihm nur gezeigt, wie viel Macht er über ihre Gefühle besaß. Sie musste sich damit zufrieden geben, sich mit steifem Schritt von ihm zu entfernen.
Sie kam nicht weit. Bevor sie noch die Straße erreichen konnte, hörte sie Corbett auf seinem großen schwarzen Pferd hinter sich her kommen. Aber sie war entschlossen, ihm sei nen Plan zu vereiteln, also schoss sie hinter eine Linde unter dem Vorwand, Stechpa l menzweige zu sammeln.
Sie konnte seine Augen auf sich spüren, aber sie konnte es nicht wagen, seinen unverwandten Blick zu erwidern, denn sie wusste, dass in seinen Augen jene kühle, spöttische Di stanz zu lesen war, die ihrem wunden Herzen einen weite ren Schlag versetzen würde. Das würde sie nicht ertragen können.
Lilliane beugte sich zu den niedrigsten Stechpa l menzwei gen hinunter und ließ ihr gelöstes Haar wie einen schützen den Schleier um ihr Gesicht fallen. Sie zerrte wirkungslos an einem Zweig, dann versuchte sie es an einem anderen, nur um sich in den Finger zu stechen, als sie unabsichtlich ein paar der glänzenden grünen Blätter abriss.
»Du hast doch genug Diener für diese Art von Arbeit. Deine Pflicht besteht darin, dafür zu sorgen, dass sie ihre Aufgaben erfüllen, und du bist schon lange genug vom Schloss fort gewesen. Komm her und setze dich vor mich auf das Ross.«
Lilliane hob stolz den Kopf, obwohl sie sorgsam darauf achtete, ihren Blick auf die Straße und nicht auf Corbett zu richten. »Die Diener auf Orrick sind gut genug eingewiesen, dass sie ihre Aufgaben auch dann nicht vernachlässigen, wenn ich nicht im Schloss bin. Was das betrifft, brauchst du mich über meine Pflichten nicht zu belehren. Ich werde nach Orrick
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