Das Herz meines Feindes
zurückkehren, wenn es mir gefällt.«
Sie wusste, dass diese Worte ihn in Wut versetzen würden, ihn vielleicht sogar zu einer Gewalttätigkeit verleiten wür den. Aber sie war zu überwältigt vor Schmerz über ihre Zu rückweisung, um vorsichtig zu sein. Erst als das große Kriegsross durch das Unterholz brach, blickte sie erschrocken auf.
So leicht, als ob sie ein Kind wäre, pflückte sie Corbett aus der Mitte der Stechpalmensträucher. Ohne ihr Protestgeschrei zu beachten und ohne viel Federlesens setzte er sie vor sich und wandte das Ross geschickt wieder der Straße zu.
»Lass mich herunter, du großer Flegel!« schrie sie, als sie sich dem Griff ihres Mannes zu entziehen suchte.
Mit einem scharfen Ruck zog Corbett sie an seine Brust. »Setz dich vernünftig hin«, murmelte er, »oder du wirst Or rick als Gefangene betreten, mit gebeu g tem Haupt und gefesselt an Händen und Füßen!«
Trotz ihres Zorns zweifelte sie nicht daran, dass Corbett seine Drohung ernst meinte. Sie war steif vor Zorn und blieb hölzern dort sitzen, wo er sie hingesetzt hatte. Doch in ihrem Inneren kochte es.
Der Heimritt war für Lilliane eine Qual. Sie saß seitlich vor Corbett und balancierte unsicher auf dem großen Pferd, das den Pfad entlang ritt. Mit jeder kleinsten Richtungsände rung war ihre Balance dahin, und sie wäre gefallen, wenn Corbetts kräftige Arme sie nicht festgehalten hätten. Aber je de Berührung war eine neue Art von Schmerz für sie, und schnell wich ihr Zorn, und ihr schien das Herz zu brechen. Aus Stolz klammerte sie sich nicht an ihn, wenn das Pferd ei ne kleine Anhöhe erklomm oder über einen heruntergefalle nen Ast stieg. Doch das Gefühl seiner breiten Brust, die trotz der winterkalten Luft so warm war, und seines steinharten Arms, der sie stützte, ließ sie die Leere in ihrem Inneren nur noch stärker spüren.
Er hatte bewiesen, dass er jede Eigenschaft besaß, die sie sich an einem Ehemann wünschte, außer einer. Er hatte nichts für sie übrig. Und das traurigste daran war, dass sie ihn jenseits jeglicher Vernunft liebte.
Ein unwillkürlicher Schauer ergriff Lilliane. Sofort spürte sie, wie Corbetts Arme sie fester umschlangen. Aber das machte die Dinge nur noch schlimmer, denn schließlich zitterte sie ja nicht vor Kälte. Es war Corbetts zerstörerische Nähe, die sie so sehr aufwühlte.
Sein warmer Atem fing sich in ihrem Haar; der Duft sei ner sauberen Haut verfolgte sie. Ihr Gesäß wurde ganz eng an seinen Schoß gepresst, und die Wärme, die in ihr aufstieg, schien sie zu benebeln. Er war der Mann, der ihr ihre Unschuld geraubt und sie dann in jene luftigen Höhen der Lei denschaft geführt hatte, die sie sich niemals vorzustellen ge wagt hatte. Der Gedanke an die wunderbaren Freuden, die sie miteinander geteilt hatten, jagte ihr einen erneuten Schauder über den Rücken.
»Ist dir kalt?« Corbetts Stimme war rau, fast als wollte er sich eigentlich gar nicht nach ihrem Wohlbefinden erkundi gen. Lilliane antwortete nicht, sondern setzte sich in dem Versuch, so weit wie möglich von ihm wegzubleiben, gerader hin.
Corbett lachte leise über ihren sinnlosen Versuch. Dann griff er fester um ihre Taille und zog sie näher denn je an sich heran. »Sollen wir über unsere Ländereien reiten, meine süße Frau? Ein guter Lord und eine gute Lady sollten sich um das Wohlbefi n den ihrer Leute kümmern.«
»Wir sind dir doch alle gleichgültig!« antwortete Lilliane scharf, als sie versuchte, seinen Griff um ihre Taille zu loc kern.
Aber Corbett drückte seine Hand nur noch fester um ihre Taille. »Mir ist keiner der Bürger von Orrick gleichgültig.«
»Weil sie dir Gewinn bringen.«
»Meine Pflicht besteht darin, Orrick zu beschützen und für seinen Wohlstand zu sorgen.«
»Ja«, antwortete Lilliane hitzig, während sie versuchte, sich so wenig wie möglich an ihn zu lehnen. »Du wirst den Schäfer beschützen, damit du mehr Wolle bekommst. Und den Bauern, damit du mehr Korn bekommst. Und wenn du mich beschützt, dann nur, um einen Erben zu bekommen!«
Er stutzte nur einen kurzen Augenblick. »Und bekomme ich meinen Erben bald?«
Lilliane hatte eine solche Frage nicht erwartet, und ein paar Sekunden lang fehlten ihr die Worte. Sie sehnte sich un endlich nach einem Kind von ihm. Und doch… doch sie wollte, dass er sie nicht nur deshalb begehrte, damit sie ihm einen Erben gebar. Sie runzelte die Stirn und richtete ihren Blick en t schlossen auf eine Gruppe von Männern aus dem
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