Das Herz meines Feindes
etwas an deres annimmst, ich kenne meine Pflichten als Ehefrau.«
»Ach ja?« Er lehnte sich auf seinem Pferd zurück und sah sie anmaßend an. »Also fliehst du nicht, weil wir jetzt verheiratet sind.«
Diesmal konnte sie die Anspannung in seiner Stimme nicht überhören. Einen Augenblick lang fühlte sie ungestü me Hoffnung in sich auflodern. Konnte er sich wünschen, dass sie nicht nur aus Pflichtbewusstsein blieb?
Aber sein Gesichtsausdruck war unergründlich. Groß und beei n druckend saß er auf seinem riesigen Pferd, so mächtig und unbewe g lich, dass es ihr unmöglich erschien, dass er jemals ein zärtliches Gefühl hegen könnte. Sie schluckte den Kloß, der sich plötzlich in ihrer Kehle gebildet hatte, hinun ter und wandte sich von ihm ab. Sie wollte nicht zulassen, dass er sie quälte. Sie wollte es einfach nicht zulassen.
Sie tat ihr Bestes, ihn zu ignorieren, ging zum Flussbett hinab und blieb wieder stehen, wobei sie sich mit der Hand an einer jungen Buche abstützte. Auf dem Fluss hatte sich noch kein Eis gebildet, obwohl sie wusste, dass das Wasser ei sig kalt sein musste. Aber es konnte unmöglich kälter sein als die furchtbare Traurigkeit in ihrer Seele. Mehr als alles wünschte Lilliane sich, Corbett möge sie allein lassen, damit sie sich den peinlichen Tränen hingeben konnte, die ihr in die Augen gestiegen waren.
»Woher soll ich wissen, dass ich nicht ein T e te-ä-tete zwi schen dir und deinem… zwischen dir und William unter brochen habe?«
Jetzt war es endlich heraus. Sie war auf seltsame Weise er leichtert, dass er sie schließlich doch angeklagt hatte. Und doch war es entsetzlich traurig. Immerhin hatte sie jetzt zu mindest einen Anlass, all ihre aufgestaute Wut an ihm auszu lassen.
»Ich habe keinen Grund, mich mit William zu treffen«, be gann sie. »Er ist fort. Und du hast keinen Grund, dermaßen misstrauisch zu sein!« endete sie scharf.
»Ach nein?« Corbett schwang sich mit einer el e ganten Be wegung von seinem Ross. Dann wandte er ihr ein glattes, spöttisches Gesicht zu. Nur in seinen Augen erkannte sie den Zorn, der von ihm Besitz ergriffen hatte. »Mir scheint es vollkommen klar, warum ich dich verdächtige…« Er unterbrach sich und holte tief Luft. »Du hast ihn einmal geliebt. Willst du das leugnen?«
»Einmal«, antwortete sie aufrichtig, wenn auch mit zit ternder Stimme. »Aber das ist lange her…«
»Du wolltest mich nicht heiraten«, unterbrach Corbett sie. »Ta t sächlich hast du sogar deinem Vater den Gehorsam ver weigert, so verzweifelt suchtest du, mich zu meiden!«
»Ja, aber… aber du weißt doch, dass das wegen des Kriegszustandes zwischen unseren Familien geschah. Au ßerdem wolltest du mich doch auch nicht heiraten! Du woll test doch nur eines…«
»Alles, was ich wollte, war ein friedliches Heim und eine pflich t bewusste Frau. Statt dessen habe ich ein Weib, dem man nicht vertrauen kann, und jemanden, der äußerst daran interessiert ist, mich umzubringen.«
Das brachte Lilliane vorübergehend zum Schweigen, denn sie erinnerte sich an den Überr a schungsangriff, der kurz hinter London auf sie verübt worden war. Glaubte Cor bett etwa, dass sie irgend etwas damit zu tun hatte? Oder William? Sofort verschwand ihr Zorn.
»Corbett.« Sie trat auf ihn zu und legte eine Hand auf seinen Arm.
Aber er schüttelte ihre zärtliche Geste ab und sah sie nur noch misstrauischer an. »Sanfte Töne und ein Lächeln können mich nicht mehr auf deine Seite ziehen.«
Niedergeschlagen ließ Lilliane die Hand sinken. »Ich ver suche nicht, dich auf meine Seite zu ziehen.«
Seine Lippen verzogen sich zu einem leichten, sardoni schen Lächeln. »Um so schlimmer«, murmelte er. Dann wur de er wieder kurz angebunden. »William ist fort. Ich habe ihn so behandelt, wie es einer feigen Memme wie ihm zu kommt, nachdem er mir alles gesagt hatte, was er mir sagen wollte.«
»Er hat dir alles gesagt…? Hast du ihn gefoltert?« Lilliane wurde blass vor Schreck.
Corbetts Gesichtsausdruck blieb zynisch, aber seine Augen schienen so kalt zu werden wie Granit im Winter. »Er lässt sich leicht beeinflussen. Ich kenne jetzt die Wahrheit.«
»Wenn du die Wahrheit kennst, dann weißt du, dass ich nichts Böses getan habe.«
Corbetts schnelles Lachen war rau und freudlos. »Dann verträgt sich deine Wahrheit leider nicht mit der seinen. Wenn es nicht une r wünschte Schwieri g keiten nach sich ge zogen hätte, hätte ich ihn letzte Nacht getötet.«
William hatte
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