Das Herz meines Feindes
erkennen. Ein Dämon, der in seiner Seele wohnte. Aber während sie seinem Blick teils verängstigt, teils gebannt – standhielt, sah sie, wie sein Gesichtsausdruck sich veränderte.
»Sag mir, Lily. Hast du jetzt Angst vor meinem Zorn?«
Lilliane war sofort misstrauisch. Etwas hatte sich verän dert. Seine Stimme hatte einen anderen Ton, vielleicht warn te sie auch die Wölbung seiner vernarbten Augenbraue.
»Vielleicht machst du dir Sorgen über eine meiner .kleinsten Grillen?« beharrte er, als sie nicht sofort antwortete.
»Du… du wirst mir keine Verletzung zufügen. Das weiß ich«, stammelte sie.
»Gebe Gott, dass ich deiner auch so sicher sein könnte«, murmelte er. Bevor sie diese ungerechte Bemerkung in Frage stellen konnte, zog er sie plötzlich von der rauen Holztür fort. »Heute nacht habe ich tatsächlich eine Grille. Und ich wünsche, dass du sie erträgst.«
Dann schob er ihren Mantel von einer ihrer Schu l tern her unter und befühlte die weiche Wolle ihres Gewandes. Sie hielt den Atem an und wartete gespannt darauf, dass er fortfahren würde.
Schließlich sprach er mit leiser, fast gequälter Stimme. »Zeig mir, was du bist, Gemahlin oder Geliebte. Lass mich er kennen, was du für mich bist.«
»Ich… ich bin deine Frau, Corbett«, flüsterte sie. »Warum hegst du solche törichten Gedanken?«
»Warum? Nun, zeig es mir«, forderte er erneut.
»Ich weiß nicht, was du von mir willst!« rief Lilliane vol ler Ve r wirrung. Er behandelte sie wie irgendeine Dienst magd in der Taverne. Er tat es mit Absicht, und es brach ihr das Herz.
»Sicher musst du das wissen. Deine Mutter kann einen solch wichtigen Teil deiner Erziehung nicht vernachlässigt haben. Eine Frau tut alles, was ihr Gatte will, und er hat das Recht, sie zu schlagen, wenn sie es nicht tut. Eine Geliebte je doch besitzt die Freiheit, einen Mann jederzeit zu verlassen es steht immer ein anderer Mann bereit. Aber wenn sie bleibt, dann aus Liebe.« Seine Augen verengten sich, als er sie weiter quälte. »Du hast mich nicht geliebt, als wir heirateten. Du hast einen anderen geliebt. Sir William, nehme ich an«, fügte er voller Sarkasmus hinzu.
»Nein, das ist nicht wahr…«
»Und obwohl du damals unschuldig warst, quält mich William jetzt damit, dass er dich erobert hat.«
»Er lügt! Ich weiß nicht, warum…«
Corbett packte sie am Handgelenk und zog sie grausam an sich. »Ich weiß auch nicht, warum er lügen sollte. Er müsste verrückt sein, denn ich hätte ihn mit Leichtigkeit tö ten können. Deshalb muss ich wohl glauben, dass seine Worte die Wahrheit sind.«
Lillianes Tränen flössen jetzt hemmungslos. Es war hoffnungslos, und sie wusste, dass sie ihn verloren hatte. In Wahr heit hatte sie ihn niemals wirklich besessen. Aber eine Zeit lang hatte sie so viel Hoffnung gehabt. Jetzt jedoch gab es nichts mehr, worauf sie hoffen konnte.
»Meine Gemahlin. Seine Geliebte.« Sein Griff wurde fe ster, und sein Kiefer arbeitete. »Ich habe das Recht, dich zu schlagen. Ich sollte dieses weiße, weiche Fleisch brandmar ken, damit kein anderer Mann dich mehr haben will.«
»Ich war niemals… niemals seine Geliebte«, rief Lilliane mit tränenerstickter Stimme und schloss die Augen vor seinem furch t baren Zorn.
Bei diesen Worten ließ er sie abrupt los, und sie stolperte einen Schritt zurück. Sie standen einander auf dem dunklen, nur vom Mond beleuchteten Aussichtsturm gegenüber und starrten sich an. Mit einer Hand wischte sie sich die Tränen ab, dann holte sie zitternd Luft.
»Ich weiß nicht, was du von mir willst oder was ich sein soll. Wenn ich leidenschaftlich bin… wenn ich lüsterne Ge danken habe, dann hältst du mich für schuldig. Bedeutet das, dass du mich lieber kalt und unempfänglich für deine Liebkosungen hättest?« Sie schüttelte den Kopf und sah ihn mit großen, vorwurfsvollen Augen an. »Kann ich nicht ein fach nur deine Frau sein? Kannst du nicht einfach mit der Leidenschaft zufrieden sein, die zwischen uns lodert, ohne mich so ungerecht abzuurteilen?«
Lilliane bebte von Kopf bis Fuß. Als er einen Schritt auf sie zu machte, wich sie vor dem Zorn, der immer noch in sei nen Augen glomm, nicht zurück. Er streckte die Hand aus und nahm ihre dichten, gelösten Haarsträhnen in seine Hän de. Dann zog er ihr Haar zurück, so dass ihr Gesicht sich zu ihm nach oben beugte.
Sein Blick wanderte von ihren tränenüberströmten Augen zu ihren Lippen und dann ihre verletzliche Kehle hinab bis zum
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