Das Herz meines Feindes
aus Angst vor der Verdammung, die sie darin lesen würde.
Als er schließlich sprach, war seine Stimme ein ungewohntes Krächzen, als ob er mit den Worten zu kämpfen hätte. »Das ist es nicht, was ich will«, sagte er, und Lilliane hatte das Gefühl, dass eine kalte Faust sich um ihr Herz ge legt hatte. Dann rieb er mit einer Hand über die Narbe an seiner Stirn. »Es reicht nicht, wenn du auf mich reagierst, Li ly. Ich will, dass du mir deine Leidenschaft zeigst.«
Sie warf ihm einen Blick vollkommener Verwirrung zu, so dass Corbett langsam und bebend Luft holte und sich ab wandte. »Soll ich denn roh sein und dir genau erzählen, was ich von dir will?«
Das Verstehen traf sie wie ein plötzlicher Blitz. Ihre Einge weide zogen sich zusammen, denn er wollte, dass sie die In itiative ergriff, dass sie das Liebesspiel einleitete. Sie war so glücklich über diese Erkenntnis, dass sie unwillkürlich lächeln musste. »Oh, Corbett, genau das habe ich in unserer letzten Nacht in London ja versucht, aber du…«
»Sprich nicht von London«, schnitt er ihr das Wort ab, und seine Augen schienen sie am Boden festzunageln. »Sprich niemals mehr von London. Tu einfach nur, was ich von dir verlange.«
Lilliane musste sich auf die Lippe beißen, um die erneut aufste i genden Tränen zurückzuhalten. Einerseits wollte er sie genauso sehr wie sie ihn. Aber andererseits…
Sie schob eine vom Wind verwehte Locke aus der Stirn und versuchte, die Fassung wiederzuerlangen. Andererseits schien er entschlossen zu sein, sie für immer auf Armeslänge von sich fernz u halten.
Sie schritt zur Tür. Corbett öffnete sie ihr und folgte ihr dann dicht hinterher. So gingen sie die steilen steinernen Treppen hinab. Das Treppenhaus war kalt, aber Corbetts Nähe schien eine Aura der Wärme zu schaffen. Doch trotz der körperlichen Hitze, die sie ausstrahlten, konnte Lilliane die gefühlsmäßige Kälte, die zwischen ihnen herrschte, nicht verdrängen.
Als sie die Tür zum Turmzimmer erreichten, wandte sich Lilliane zu ihm um.
»Auf eines muss ich aber bestehen«, begann sie so mutig, wie sie konnte.
Corbett stand sehr nah bei ihr. Seine riesige Gestalt ver sperrte den Blick auf die Fackel, so dass nur seine Silhouette für sie sichtbar war. »Nein.«
Das Wort, obwohl es leise ausgesprochen war, schien wie Donner in dem leeren Turmzimmer zu grollen. Lilliane hätte am liebsten die Hände über die Ohren gelegt, um diesen widerspenstigen, zornigen Laut auszuschließen. Aber statt dessen legte sie ihm, ohne weiter nachzudenken, die Hände an die Wangen und zog ihn herab, um ihm einen Kuss zu ge ben.
Das war ein kühner Zug, einer, von dem sie nicht wusste, welche Folgen er haben würde. Aber vielleicht beruhigte ihn gerade das mehr, als irgend etwas sonst es vermocht hätte.
Sie hatte ihn nur bitten wollen, seinen Zorn draußen zu lassen, wenn sie durch die Tür schritten, ihnen zu gestatten, ohne den Sturm verwirrender Gefühle, die sie beide quälten, zusammenzukommen. Aber als sich ihre Lippen in einem ebenso süßen wie leidenschaftl i chen Kuss vereinigten, spürte Lilliane, dass er sich ihrer unausg e sprochenen Forderung bereits gefügt hatte.
Sie spürte, wie er sie gegen die Tür presste. Dann öffnete sich die Tür, und Lilliane wäre fast hingefallen. Aber Corbett fing sie auf. Die Berührung seiner Zunge war wie Feuer auf ihren Lippen und in ihrem Mund. Sein starker Körper hielt sie fest, und sie hatte das Gefühl, in den Himmel aufzusteigen, denn sie wusste ja, was für himmlische Freuden auf sie warteten.
Aber Lilliane wehrte sich gegen das geisttötende Schwin delgefühl, das seine Leidenschaft mit sich brachte. Darum ging es in dieser Nacht nicht. Als Corbett sie wieder auf den Boden stellte, legte sie eine Hand flach auf seine Brust, um ihn in Schach zu halten.
»Warte«, sagte sie keuchend, obwohl sie alles andere als warten wollte. »Du musst mich das tun lassen… was du willst.«
Corbett lächelte nicht, aber seine Augen hatten die rauch graue Farbe der Begierde angenommen, und er atmete hart. »Dann fang an.« Er deutete auf das Bett.
Lilliane schüttelte ihr Haar und betrachtete ihren mächti gen Eh e mann. Er war groß und stark, und trotz der Nar ben, die ihn zeichneten, hielt sie ihn für den schönsten und begehrenswertesten Mann auf der Welt. Ihre Hand glitt langsam über seine breite Brust, sie spürte jeden Muskel und den beruhigenden Schlag seines Herzens. Ein gleich mäßiger Schlag, genauso stark
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