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Das Herz meines Feindes

Das Herz meines Feindes

Titel: Das Herz meines Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rexanne Becnel
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hinzu.
    Als sie die alte Brücke hinter sich ließ und auf die ausge fahrene Straße kam, hatte Lilliane den unwiderstehlichen Drang, einen Blick zurück auf das Schloss zu werfen. Sie wusste, was sie sehen würde: helle Kalksteinmauern, groß und standhaft, älter als jeder lebende Mensch; die schwer be ladenen Zweige des Kastanienbaumes, die über die Zinnen hinweg ragten; und die stets gegenwärtigen Wachmänner, die dort ihre Runden machten.
    Aber etwas in ihr veranlasste sie, sich nicht umz u blicken. Dies war ihr Heim, und sie liebte es innig. Doch sie hatte das schreckliche Gefühl, dass es niemals mehr der gleiche Ort sein würde, den sie so lange für selbstverständlich gehalten hatte. Wenn sie jemals zurückkehrte, fürchtete sie, so würde alles vollkommen anders sein. Entschlossen drängte sie das bereitwillige Pferd voran, und ohne dem Wind, der an ihr zerrte, Beachtung zu schenken, galoppierte sie die Straße hinab.
    Lilliane saß aufrecht, ihr maisgelbes Gewand aus einfa chem Tuch hing in schweren Falten um ihre Knie. Vor sich trug sie den schwer beladenen Korb, denn sie wollte wirk lich, dass Mutter Grendella diese Delikatessen erhielt. Aber sie wusste auch, dass sie nicht zögern durfte. Als sie die Grenze des Dorfes Orrick erreichte, bot sich ihr jedoch eine einfa che Lösung. Nicht weit entfernt vom Dorfbrunnen hatten sich ein paar Frauen versammelt. Junge Mütter und unve r heiratete Mädchen gingen diesen Weg zweimal täglich. Bei Anbruch des Tages kamen sie mit verschmutzten Tüchern und Kleidern und schrubbten sie in den dafür bestimmten großen, hölzernen Trögen. Dann breiteten sie die Kleider über Büsche und Zweige zum Trocknen aus.
    Jetzt kehrten sie zurück, um ihre Wäsche einz u sammeln, bevor die Wolken, die sich im Westen auftürmten, ihren Re gen niederprasseln lassen würden.
    »Seid gegrüßt, Meg, Bertha.« Sie nickte zwei Frauen zu, die sie kannte.
    »Sei gegrüßt, Theda.«
    »Mylady.« Theda machte eine schnelle Verbeugung mit dem Kopf. »Wenn ich so sagen darf, wir sind froh, dass Ihr wieder auf Orrick seid.«
    »Nun, dank Euch«, antwortete Lilliane. Thedas Aufrich tigkeit rührte sie, obwohl sie sich nun wegen ihres Vorha bens noch schuldiger fühlte.
    »Wir haben alle gehört, was morgen passiert. Das wird ein Fre u denfest für uns alle.« Theda nickte. »Und beide Schwestern sollen gleichzeitig heiraten. Ein wahrhaft großer Tag.«
    Lilliane rang sich ein Lächeln ab, die ganze Zeit über pochte ihr Herz vor Aufregung. »Theda«, begann sie nervös. »Ich möchte dich um einen Gefallen bitten.«
    Es war leicht, die einfache Theda dazu zu bewegen, den Korb bei Mutter Grendella abzuliefern, indem sie ihr etwas von dem köstlichen Inhalt anbot. Obwohl die Frau Lilliane neugierig betrachtete, wusste Lilliane, dass weder sie noch ei ner der anderen Dorfbewohner und Vasallen sich vorstellen konnte, dass jemand Lord Bartons Willen bewusst mißachtete.
    Es wäre Theda niemals in den Sinn gekommen, dass Lilliane ihrem Vater nicht gehorchte. Schlimmste n falls war sie auf dem Weg zu einem Verehrer, der durch die Rückkehr des mächtigen Sir Corbett ausgestochen worden war. Das konn te Theda verstehen und sogar verzeihen. Aber offenen Widerstand gegen Lord Barton? Niemals.
    Lilliane war nicht bereit, länger zu verweilen und sich selbst durch das Bewusstsein ihrer eigenen Doppelzüngigkeit zu geißeln, deshalb wandte sie die willige Stute schnell in die andere Richtung. Mit einem weiteren herzlichen Danke schön an die gutherzige Theda ließ sie Acre in Galopp ver fallen.
    Lilliane nahm die Talstraße, die an dem träge dahinflie ßenden Fluss vorbei und um den Apfe l baumhain herumführte. Wenn sie zur Grenze wollte, war dieser Weg viel länger, aber nur hier konnte sie vom Schloss aus nicht gesehen wer den. Erst als sie den Hain verlassen hatte und die abgeernte ten Weizen-und Roggenfelder hinter sich gelassen hatte, ließ sie die Stute verschnaufen. Sie war ebenso außer Atem wie das Tier, aber sie hatte zu viel Angst vor Verfolgern, um in nezuhalten und eine Pause zu machen.
    Viele Köpfe hatten ihr verwundert nachgeblickt, als sie vorbeig a loppiert war, ihre eleganten Röcke bauschten sich, und ihr dichtes, kastanienbraunes Haar flatterte im Wind. Sie wusste, dass sie eine auffällige Erscheinung war und dass es eine Menge Menschen geben würde, die berichten könnten, in welche Richtung sie geflohen war. Aber sie vertraute darauf, dass die Zeit ihre Verbündete sein

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